Samstag, 21. Oktober 2017

Kerze pusten!

Unser Matis. Da ist der Kleine (der inzwischen der Mittlere ist, aber das überrascht mich immer noch und immer wieder freudig) zwei geworden. Und ist auf einmal gar nicht mehr klein – wer so einen starken Willen hat, so viel Energie und so viele Ideen, der ist schon ein Großer.

Zwei ist ein bisschen jung, um das „Geburtstag haben“ so richtig zu verstehen. Aber das hat Matis Freude über die Kerzen, Luftballons, Kuchen und Geschenke nicht geschmälert. Liams Fremdbegeisterung hat ihn dann vollends angesteckt. Ich kann gar nicht zählen, wie oft wir an seinem Geburtstag und in den folgenden Tagen die Kerzen angezündet und mit einem fröhlichen „Happy Birthday to you“ wieder ausgepustet haben! So ganz klappt es mit dem Sprechen bei Matis noch nicht (was wir elegant auf die zweisprachige Erziehung schieben, bei der Kinder angeblich später sprechen lernen), aber „Kerze pusten“ gehört jetzt definitiv zu seinem Vokabular.


Matis. Unser gemütliches, taffes Männle. Er guckt oft kritisch aus der Wäsche, ist vorsichtig aber freundlich, wenn er neuen Menschen begegnet und kann so herrlich aus ganz tief unten aus dem Bauch lachen. Er lernt und lernt und lernt und saugt alles auf wie ein Schwamm: Wie man den leckeren Joghurt bis zum letzten Rest aus dem Becher kratzt und wenn’s daneben ging auch vom T-Shirt. Alle Tierlaute, am liebsten den Löwen, weil der so schön laut brüllt. Verstecke spielen und Bücher anschauen. Und natürlich den ganzen Mist, den er bei seinem Bruder sieht. Die zwei Quatschmacher. Es dauert in der Regel nur eine Millisekunde, bis Matis einen Blödsinn seines Bruders erkennt und mit einem Funkeln in den Augen nachmacht. Die Gitter vor den Fenstern hochklettern. Vom Wohnzimmertisch möglichst weit aufs Sofa springen. Beim Zähneputzen Grimassen in den Spiegel schneiden. Alles mit möglichst viel Wasser und Sauerei. Der beiden liebstes Spiel? Bubeln (für Nichtschwaben: raufen, rangeln, spielerisch kämpfen). Mit vollem Körper- und Stimmbandeinsatz. Auch wenn Matis ein Stück kleiner ist, steht er Liam beim Kämpfen in nichts nach. Und sein Lieblingsessen? Ugali mit viel Soße, der kleine Luo.
 
Matis freut sich immer, wenn Luca zum Fenster reinschaut.

Der Bücherwurm im April 2017

Lustig! Oder Blödsinn?!


Unser Matis. Du wirst deinen Weg gehen, und wir sind froh und stolz und gespannt, noch eine ganze Weile in erster Reihe mit dabei sein zu dürfen. Gott behüte dich.

Manicure: Das ansteckende Grinsen eines Zweijährigen, kurz bevor man realisiert, ob daraus was wirklich Lustiges oder ein riesen Blödsinn wird

Helmet: Einen Engel vor ihn auf den Weg schicken

Matis ist ein Papajunge.

Sonntag, 1. Oktober 2017

Hallihallo, Noel Ernst!

Erst lässt uns Noel ein paar Tage warten (wobei das mit dem errechneten Termin ja auch immer etwas albern ist – jedes Kindle kennt sein Stündle, wie schon meine Großmutter wusste). Und dann, huiuiuiui. Letzten Sonntag hatte unser drittes Milchkaffee-Kind einen plötzlichen, rasanten Eintritt in die Welt. Bei unseren Schlaglochpisten empfehle ich eigentlich langsame Autofahrten, erst recht schwangeren Frauen. Weswegen mein Mann auch Sorge hatte, die Geburt im Auto über die Bühne bringen zu müssen. Wäre bestimmt interessant gewesen, mit den beiden Jungs hintendrin und einer garantiert großen Schar Schaulustiger, die hier immer in Windeseile zusammenlaufen. Aber was soll ich sagen, meine Eltern haben berichtet, dass ich es bei meiner Geburt auch sehr eilig hatte. 
Ich bin dankbar für eine Geburt im Krankenhaus.

Noel ist ein paar Stunden alt



Aber der Reihe nach. Ganz kurz, keine Sorge, erstens gings schnell und zweitens bin ich immer noch kein Freund von ausführlichen Geburtsstories. Um acht habe ich mit Liam noch auf dem Boden mit Legos gespielt (unterbrochen durch wenige, gut erträgliche Wehen), dann geduscht und einen Kaffee aufgegossen. Der lief gerade schön durch den Handfilter, als Joshua mich bei einer akuten Wehe auf dem Boden kniend keuchen gehört hat. Er: „Wir fahren sofort ins Krankenhaus!“ – zackzack die Kinder geschnappt, angezogen, ins Auto verfrachtet, Tor auf, Motor an, wieder zurück ins Haus, mir die Schlappen auf die Füße gezogen und los gings. Das war kurz vor neun. Wir fahren normalerweise 25 Minuten zum Krankenhaus, unterwegs haben wir die Jungs buchstäblich Freunden draußen vor ihrem Haus in die Arme geworfen, den Sicherheitscheck vor dem Krankenhaus hat Joshua laut hupend umfahren und die Öffnung der Sicherheitsschranke vor der Notaufnahme mit quietschenden Reifen und „Liege, Liege!!!“ rufend erzwungen. Kurz darauf bin ich in einem Krankenzimmer, vier Wehen später ist Noel auf der Welt. Hallihallo! Bis zum Kreißsaal hat es nicht mehr gereicht. Meinen Kaffee habe ich an dem Morgen auch nicht mehr bekommen.
Ich bin dankbar für Freunde, die da sind, wenn man sie braucht.
Ich bin dankbar für einen Mann, der weiß, wann kenianische Gemütlichkeit fehl am Platz ist. Und mir nachmittags einen Kaffee ans Wöchnerinnenbett bringt.

Und nun genießen wir dieses Wunder, diese einzigartige Schöpfung Gottes. Die Ogola-typische Knuddelnase, die vollen Bäckchen, der kleine Kopf mit den weichen, schwarzen Haaren, der noch so schön in eine Hand passt. Das selige Grinsen (meist kurz vor oder nach einem kräftigen Pups in die Windel). Das Recken und Strecken und mit den Ärmchen fuchteln. Die kleinen Seufzer und das noch zaghafte Weinen. Und wieder, vertraut und doch ganz neu: Die ganz große Liebe.
Ich bin dankbar, dass Noel nun zu unserer Familie gehört.   

 

 

Manicure: Die Liebe zu diesem kleinen, wunderbaren Wesen genießen
Helmet: Gott vertrauen, dass es im Leben von Noel nicht so rasant weitergeht

PS: Ja, das mit dem "N" für Noel war Absicht. Eine Freundin hat uns vor ein paar Monaten drauf gebracht, dass unsere Initialen genau die Alphabetsequenz JKLMNO ergeben würde. Das fanden wir irgendwie nett. Noel heißt "(am) Tag der Geburt (Christi)" und ist eine Zusammensetzung aus "noio" und "helle", was "Licht nach der Dunkelheit" bedeutet. Noels zweiter Vorname ist Ernst, nach meinem Opa mütterlicherseits. 

Dienstag, 29. August 2017

Tschüss Jungs – bis heute Mittag!

Heute ging das neue Kindergarten-Jahr los! Ein Glück. Mal ehrlich. Wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen, in unserem Wahl-Urlaub und daheim, mit Swimming-Pool und Besuchen bei der Familie auf dem Dorf – aber ist doch auch schön, dass jetzt vormittags die wirklich lieben Betreuerinnen unserer tollen Rainbow Kindercare wieder übernehmen!

Matis findet "für die Kamera lächeln" blöd, Liam hat's voll raus. 

Am ersten Tag waren nur wenige Kinder da, also gab's als erstes gemeinsames Bücher vorlesen.

Liam geht in die „FS 2“, das letzte Kindergartenjahr. Ist hier ein Jahr früher als in Deutschland, mit 5 Jahren geht wie beim britischen System die Schule los. Unvorstellbar! Was soll denn mein Baby in einem Jahr schon in der Schule?! Er ist wahnsinnig stolz, dass er jetzt bei den Großen ist... Das heißt, ich muss mich in den nächsten Monaten umschauen, was denn in Kisumu so von der Pädagogik in Frage kommt, möglichst ein wenig international und trotzdem bezahlbar ist. Das wird nicht einfach.


Matis geht wieder in die „Crèche“, die Babyklasse. Zwei bis drei Tage die Woche, mal sehen. Er war so glücklich da im letzten Trimester, hatte besonders Spaß beim Malen und Geschichten lesen und einmal die Woche im Swimming-Pool.

Ich war heute Vormittag erstmal ein paar Sachen erledigen und schön einen Kaffee mit einer Freundin trinken. Hab mich dann aber auch wieder sehr darauf gefreut, die Zwerge abzuholen, zweimal (x-mal) „Mama, Mama, Mama!“ zu hören, sie zu drücken und um mich zu haben. So ist das. Auch wenn ich oben das Gegenteil behaupte.

Manicure: Kinder morgens wegschicken 
Helmet: Den Nachmittag mit Kindern genießen


Nach dem Kindi noch Mittagessen im Garten...
...und dann das übliche Bild auf der Heimfahrt.

Samstag, 19. August 2017

Wer die Wahl hat...

Wer die Wahl hat, hat’s gut. In Kenia waren vor knapp zwei Wochen, am Dienstag, 08. August, Präsidentschaftswahlen. Die Details sind komplex, vereinfacht ist die Situation so: Seit der kenianischen Unabhängigkeit 1963 waren nur zwei Volksstämme an der Macht, die Kikuyu und der benachbarte Volksstamm Kalenjin. Das führte über die Jahrzehnte zu viel Ungerechtigkeit, de facto Unterdrückung und Unruhe im Land, von Korruption auf allen Ebenen ganz zu schweigen. Der langjährige Oppositionsführer Raila Odinga kommt aus der Gegend von Kisumu und ist somit Luo. Dieses Jahr haben sich die Luos und andere befreundete Volksstämme große Hoffnungen gemacht, dass Odinga die Wahl gewinnen würde – und es war so ziemlich klar, gewinnt er nicht, kommt es zu gewalttätigen Protesten. Was sich leider mit der Wiederwahl des bisherigen Präsidenten bewahrheitet hat. Die Folge waren nach Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses brennende Autoreifen, fliegende Steine, eine hohe Militärpräsenz, leider auch Polizeiwillkür, Tränengas, scharfe Schüsse, Verletzte und Tote in Kisumu und anderswo. Es wird aus vielen guten Gründen vermutet, dass es sich um Wahlbetrug handelt. Also hatten die Menschen eigentlich mal wieder keine Wahl.


Joshua war einer der ersten, der seine Stimme abgegeben hat. Er ist vor 5 Uhr früh los, um 6 machte das Wahllokal auf und um 7 war er zurück. Mit blau gefärbtem kleinem Fingernagel, damit es gleich offensichtlich ist, sollte er sich nochmals anstellen wollen. Wer später kam, stand oft stundenlang an.  

Das Wetter war trüb am Wahltag - schlecht fürs Foto, gut für die geduldig anstehenden Wähler.
Egal welches Transportmittel - nur weg in Sicherheit, bevor das Chaos losgeht.  

Vorsichtshalber hatte ich sowohl in Mamboleo als auch in Boya (unsere "Dorf-/Familienheimat") Lebensmittel- und sonstige praktische Vorräte angelegt. Unsere erste Wahl war aber – und ich bin dankbar, dass wir sie hatten – wegzufahren. Am selben Vormittag über die Grenze nach Tansania. Erst mal für unbestimmt, je nachdem, wie sich die Situation entwickeln sollte. Ich habe den Urlaub sehr genossen, Joshua fiel es wahnsinnig schwer, weg zu sein und nur aus zweiter Hand sporadisch zu erfahren, was zuhause abgeht. Aber es war klar: Der Schutz und das Wohlbefinden der Familie gehen vor. Gestern, nach zehn Tagen, waren die Nachrichten so gut, dass wir wieder zurückgefahren sind. Man sieht auf den Straßen noch die Reste der Demonstrationen, aber das Leben nimmt, zumindest nach außen, wieder seinen normalen Gang, die Supermärkte sind offen, die Menschen sind von hier nach da unterwegs.  

Die ganze Situation macht mich wahnsinnig traurig. So ein schönes Land, meistens friedlich und vergleichsweise gut entwickelt. Tatsächlich aber gibt es keine Gerechtigkeit, und damit kann es auch keinen echten Frieden geben. Wie sehr ich genau das Kenia und seinen Menschen wünsche.

Manicure: die Wahl haben
Helmet: Wahl-Urlaub 


Unser wunderbar gelegenes Ferienhäusle in Musoma am Viktoriasee.

  

Samstag, 17. Juni 2017

Ich bin kein Baby, ich bin ein großer Junge!

Donnerstag, 25.05.2017, Mamboleo.
06:14 Uhr. Liam kommt aus seinem Zimmer angeschlichen und steigt in mein Bett. „Mama, ist mein Geburtstag da?“ – „Ja, heute ist dein Geburtstag. Herzlichen Gl... äh?“ Zack, weg war er, die Geschenke suchen. 3,5 Sekunden später aus dem Wohn-/Esszimmer: „Maaaaaama!!!! Da sind Luftballons! Und Geschenke! Und Kerzen! Komm schnell! Kooooommmmm!!!“ uaaaahhhh gähn, vielleicht war es doch eine blöde Idee, alles schon am Vorabend schön herzurichten? Ich kann ja jetzt schlecht rufen, „Ich weiß, ich habs dahin gestellt“, und mich dann nochmals umdrehen. Oder doch?

06:17 Uhr. Die vier Kerzen am Geburtstagskranz brennen, wir haben „Happy Birthday“ gesungen und Liam freut sich wie ein Schneekönig und ein Honigkuchenpferd auf einmal. Ich freu mich sonst vor 7 Uhr früh selten, aber da kann man sich nur mitfreuen! 



Zum Abendessen hat sich Liam Fisch und Ugali gewünscht... der kleine Kenianer. 

Unser fröhlicher, fantasievoller, energiegeladener Liam ist vier Jahre alt! Aus dem kleinen Äffchen wurde ein regelrechter Kletteraffe, der überall hochklettert und wieder runterspringt. Der abends um acht kurz vor der Schlafenszeit ich-weiß-nicht-woher nochmals einen Energieschub bekommt, wenn ich am liebsten schon auf dem Sofa einschlafen würde. Der zum Glück im Kindergarten oder beim Schwimmen oder Taek Won Do jede Menge Energie rauslassen kann. A propos Kindergarten: Gestern hatte ich mein „Lehrer-Eltern-Gespräch“. Miss Sheila hat mir erzählt, dass Liam schon alle Buchstaben erkennt (das lernen Kinder hier früh), alle Zahlen von 1-10 und Mengen zuordnen kann, sauber Bilder ausmalt, die Bücherzeit liebt und ab dem nächsten Kindergartenjahr im September in die Vorschule kann. Hey Moment mal, das geht mir alles viel zu schnell! Das brauchen wir doch noch gar nicht für mein Baby! Auch wenn Liam jedem, wirklich jedem, der/die ihn hier mit „Baby“ anspricht (geläufige Bezeichnung und Ansprache für Kinder) frei raus antwortet: „Ich bin kein Baby, ich bin ein großer Junge!“

Kein Fahrrad ist zu groß für den kleinen Abenteurer.

Das geht auch mal... für 5 Sekunden.

Wenn Liam nicht gerade springt oder rennt oder klettert, schaut er Bücher an, haut auf seine Trommel oder erzählt Geschichten. Lange, teilweise absurde, lustige und am liebsten abenteuerliche Geschichten. Auch mal zehn, fünfzehn Minuten lang, ohne Unterbrechung. Von Löwen, Feuerwehrmännern und Motorrädern. Und wenn er besonders gut drauf ist, dann schauspielert er die Geschichte. Selten so gelacht!

Was bin ich dankbar, dass mir dieser Junge anvertraut wurde. Ich bete, dass ich ihm alles sein und auf den Weg mitgeben kann, was eine Mama für ihren Sohn nur kann.

Manicure: Liams Lächeln
Helmet: Mein Baby bleibt mein Baby! 

Montag, 20. Februar 2017

Zweimal Deutschland und zurück


Heute wird’s (noch) ein bisschen persönlicher. Und emotionaler. Ich will versuchen zu beschreiben wie das ist, sich zwischen Deutschland und Kenia zu bewegen, wie ich mit den Unterschieden klarkomme. Oder auch nicht. Das beschäftigt mich gerade sehr, weil ich im Januar zehn Tage für die GIZ (mein wichtigster Auftraggeber in Kisumu) in Deutschland war. Sieben kenianische Bäuerinnen waren zur Grünen Woche nach Berlin eingeladen und zum Besuch einiger Bauernhöfe und Unternehmen nach Bayern, und ich habe sie begleitet (super Job). Meine erste längere Reise ohne Kinder, und schon allein deswegen besonders. Ende Februar fliegen wir dann mit der ganzen Familie in die Heimat. Zweimal Deutschland in kürzester Zeit.

In Deutschland zu sein, ist für mich so ein bisschen wie ein Aufenthalt im Fünf-Sterne-Hotel. Alles ist sauber, aus der Leitung kommt Trinkwasser, der Verkehr folgt bestimmten Regeln, die Häuser sind stabil und mit Wasserwaage gebaut, es gibt immer alles im Supermarkt oder online. Bei Dunkelheit draußen unterwegs zu sein ist kein Problem. Ich genieße das alles total. Und freue mich gleichzeitig immer wieder sehr darauf, zurück in meine Wahlheimat Kenia zu kommen, heim nach Kisumu und in mein Leben hier. Aber es fällt mir auch von Jahr zu Jahr schwerer. Die ersten Tage sind (und waren Ende Januar) einfach schrecklich. Ich ärgere mich fürchterlich über die rücksichtlosen Autofahrer. Ich bin genervt vom dreckigen Wasser, in dem ich manchmal nicht mal meine Kinder baden will. Mir ist zu heiß und ich kann den Staub nicht ertragen. Ich habe keine Lust, als Weiße herauszustechen. Ich bin frustriert über die unzähligen kleinen Alltagsschwierigkeiten. Als ich versucht habe, das nach zwei Tagen zurück meinem Mann zu erklären, habe ich einfach losgeheult. Mit Tränen. So schlimm ist das.

Und doch wollte ich es nicht anders. Ich will hier leben. Es ist für mich immer noch ein Wunder, wirklich jeden Tag den strahlend blauen afrikanischen Himmel zu sehen. Meine Kinder haben zwar keine Spielplätze, aber beide sind schon richtige Wasserratten, da es mindestens einmal die Woche zum Swimming-Pool geht. Das Leben ist so unaufgeregt. Ich habe gelernt, viel zu improvisieren und kriege inzwischen stolz auch fast alles ohne Joshuas Hilfe geregelt (was nicht heißt, dass es nicht schön ist, die Autoprobleme dem Gatten zu überlassen). Und man findet hier immer jemand, der einem helfen kann. Ich habe einen wunderbaren Freundeskreis. Es ist ein tolles Kompliment, wenn Familie oder Kollegen mir sagen „Du bist eine von uns geworden“. 

Statt Spielplatz auf einem unserer Spaziergänge...

Wenn ich aber daran denke Ende März, am Ende der vier Wochen Heimat wieder ins Flugzeug steigen zu müssen, habe ich sofort einen Kloß im Hals. Dann vermisse ich meine Eltern, Familie, Freunde, das „Fünf-Sterne-Hotel Deutschland“ schon wieder, bevor ich überhaupt angekommen bin. Ich werde das schreckliche Gefühl nicht los, den Enkeln Oma und Opa vorzuenthalten und den Großeltern die Enkel wegzunehmen. Mir schwimmt schon beim Schreiben das Wasser in den Augen.

Also nach Deutschland umziehen? Zurzeit keine Alternative für uns (sorry, liebe Oma und Opa...). Ich möchte das Leben hier noch eine Weile genießen.

Es ist kompliziert. Aber ich weiß, ich bin hier erstmal mit meinem Leben am richtigen Fleck.  

Manicure: Aufenthalt im Fünf-Sterne-Hotel Deutschland
Helmet: Der weite Himmel Kenias

Was für ein schönes Land, in dem Ananas wächst. 

Mittwoch, 18. Januar 2017

Krank sein in Kisumu

Es ist schon eine Erfahrung, in Kisumu im Krankenhaus zu sein. Mit meiner Krankheitsgeschichte langweile ich euch jetzt nicht, dafür amüsiert oder verwundert euch hoffentlich meine lose Sammlung an kuriosen Beobachtungen, die man so im und ums Aga-Khan-Krankenhaus (angeblich das beste in der Stadt) macht.

  • Der Gemeinschaftskreißsaal (mit mehreren Betten, damit der Nachwuchs sich gleich an die selten vorhandene Privatsphäre gewöhnt) liegt direkt über dem Eingangsbereich des Krankenhauses. Die Fenster stehen immer offen. Was ich ja bei der Hitze irgendwie verstehen kann, aber was da bei den Geburten so vor sich geht will und sollte doch keiner hören?!
  • Bei meiner Aufnahme höre ich einen Arzt, wie er der Krankenschwester eindringlich erklärt, er möchte ein ganz sauberes Bett für seinen Patienten. Ob ich meinen behandelnden Arzt darauf hinweisen sollte, dass ich das auch gerne hätte?!
  • Um 22:30 Uhr am ersten Abend kommt jemand vom Essensservice und fragt, ob ich noch Abendessen möchte und was meine Auswahl für den nächsten Tag sei. Rührei oder Spiegelei zum Frühstück? - Ernsthaft?! Ich hätte lieber weiter geschlafen.
  • Dafür ist am anderen Morgen noch nicht ganz hell, als wir aus den Betten gescheucht werden, weil das Personal dieselben aufschütteln will. Ohne mich. Das Kissen ist so knallhart, da gibt es eh nichts zu schütteln.
  • Die erste Nacht und den nächsten Tag verbringe ich im 7-er Mehrbettzimmer, bis ich in ein Einzelzimmer umziehen kann. Der Privatsphäre vorgaukelnde Vorhang um mein Bett bleibt zu, auch wenn eine andere Patientin nicht amüsiert ist, dass sie nun vom Bett aus keinen idealen Blick auf den Fernseher mehr hat. Im Mehrbettzimmer gibt es grundsätzlich kein Messer zum Essen dazu, nur eine Gabel und/oder einen Löffel. Die Servietten sind in der Hälfte durchgeschnitten. Im Privatzimmer wird ein Messer mitgeliefert und die Serviettenzuteilung beträgt großzügig 1 statt 0,5.
  •  In der Gemeinschaftsdusche hängen Unterhosen. 



Fairerweise soll auch aber das Positive berichtet werden, zum guten Schluss:
  • Die Krankenschwestern und -pfleger sind wirklich ausgesprochen nett und hilfreich.
  • Jeden Tag vormittags und nachmittags Kuchen mit heißer Schoki oder Tee serviert bekommen ist schön.
  • Es ist überhaupt kein Problem, in den Klinikaufenthalt Wellness einzubauen, indem man sich jemand zur Pediküre kommen lässt (ein besonderer Dank an meinen Mann, der das für mich organisiert hat).
  • Auch hier gibt es in der Adventszeit Korrente-Singen im Krankenhaus, und mir kamen fast die Tränen, als dieser wunderbar klingende Chor an meinem Bett stand und Weihnachtslieder sang!





Manicure: Pediküre
Helmet: Sich manchen Anweisungen des Personals widersetzen, den eigenen Schlafanzug anlassen und morgens länger als vorgesehen im Bett bleiben





Mittwoch, 11. Januar 2017

Weihnachten mal wieder... nicht

Nachdem ich letztes Jahr Traumweihnachten in Schwaben hatte, musste ich 2016 meine Ansprüche an traditionelle, Kinderaugen-zum-Leuchten-bringende, stimmungsvolle Weihnachten wieder radikal nach unten anpassen.

Mitte Dezember hat mich eine fiese bakterielle Entzündung (irgendwas mit Magen-Darm und Gelenkschmerzen) dahin gestreckt. Kurz vor Weihnachten war ich wieder aus dem Krankenhaus daheim (was dann auch noch eine schöne Geschichte hergibt), war aber noch sehr wackelig auf den Beinen. Also Spar-Dekoration, kein Weihnachtsmenü, kein hübsch anziehen.
 
Den Temperaturen angepasste Festkleidung.


Joshua musste am Heiligabend im Hotel arbeiten, aber ich hatte die große Freude, mit den Jungs zu einem Weihnachtslieder-Singen mit der internationalen christlichen Gemeinschaft in Kisumu gehen zu können, bei einer Familie im Wohnzimmer mit voller Dekoration einschließlich Christbaum. Toll! Fremdfreuen tut gut! Obendrauf gab’s danach ein Nachtischbuffet, das durchaus als Festmahl durchgehen konnte.

Am 25. kam Joshua Nachmittags heim, so dass wir wenigstens mit den Jungs Bescherung machen konnten. Ganz unprätentiös in der Unterwäsche... Joshua hat einen 2-Liter-Eimer leckeres Eis mitgebracht, das war dann großzügig portioniert unser Familienfestmahl. Zwei kleine Zwerge fanden das super!

Die schöne Familienzeit hatten wir dann in den nächsten Tagen. Wir sind spontan losgefahren und in Kenias kleinstem Nationalpark gelandet, dem Saiwa Swamp National Park mit gerade mal 3 Quadratkilometern Fläche. Dort gibt es ein Baumhaus, in das genau zwei Betten reinpassen, eine Mini-Dusche-Toilette-Kombi und ein Waschbecken auf der Veranda – dafür gibt es einen großzügigen, herrlichen Ausblick. Wir waren wandern, haben Affen beobachtet und gepicknickt. Die für den Park berühmte Antilope hat sich uns leider nicht gezeigt.

Baumhaus-Ansicht 1: Das ist es.

Baumhaus-Ansicht 2: Neblige Stimmung vor Sonnenaufgang

Baumhaus-Ansicht 3: Matis war dabei, schlief aber beim Familienfoto

Such den Affen!

Also wieder mal die weihnachtliche Lektion: Das Drumrum ist zwar wirklich fein (und irgendwann werde ich es schaffen, es mir im Advent und an Weihnachten in Kenia so richtig schön zu machen), aber wichtig und herzerwärmend ist es, liebe Menschen um sich zu haben, an der Krippe zu stehen und sich an der Geburt Jesu zu freuen.

Manicure: Frieden im Herzen, egal, wie unfestlich die Umgebung ist
Helmet: Auch Kekse und Eiskrem sind ein Festmahl, wenn man genug davon isst