Mittwoch, 19. November 2014

Mr Ogola Junior

Nun ist das Cappuccino-Baby schon anderthalb und gar kein Baby mehr. 10 Zähne, die ersten Wörter (Tuktuk kam vor Auto) und bereits recht eindeutige Meinungen zu bestimmten Themen, die entweder mit einem schwungvollen Kopfnicken und „Dja“ oder mit einem „neineineineinein!“ und Getrampel bis hin zu theatralisch-auf-den-Boden-werfen kundgetan werden. Er macht so seine Späße und verblüfft mich immer wieder mit seinen Ideen (die nicht immer gut sind, aber daran gewöhne ich mich wohl besser).

Liam liebt Musik und tanzen, auf Sofas, Regale und überhaupt alles klettern, Wasser zum plantschen und schwimmen, Bälle kicken, mit anderen Kindern spielen, Bücher angucken.




Liam liebt gar nicht Fingernägel schneiden, durchschlafen, frühstücken, ein Spielzeug hergeben, von unserem Hund Jeannie abgeleckt werden.


So schnell kann ich nicht fotografieren, wie Liam sich wegdreht!

Ich werde oft auf der Straße oder im Laden auf Liam angesprochen (ich nenne das den Barack-Obama-Faktor) und gefragt, ob dieses hübsche Kind ein Junge oder Mädchen sei. Kleiderstil oder -farbe lassen in dieser Kultur nicht zwingend einen Rückschluss auf das Geschlecht zu (im modernen Deutschland auch nicht immer, aber doch mehr als hier). Als stolze Mama stimme ich natürlich voll zu, dass Liam ein hübscher Kerl ist, aber doch wohl eindeutig ein Junge?! Wenn ich dann noch erzähle, dass Liam ein kleiner Luo ist (und damit "ihr" Sohn), dann habe ich begeisterte Menschen um mich (und auf dem Markt eine deutlich bessere Verhandlungsbasis).


Hach, ich bin eine glückliche Mama, die stolz ist auf die Entwicklung ihres Sohnes und begeistert von allem, was er kann. Da stehe ich anderen Mamas in nichts nach. Warum auch. Es braucht diese Begeisterung und dieses Glücksgefühl, um die Phasen durchzustehen, in denen man bis morgens um 9 schon mehrere Zwergenkämpfe hinter sich hat, nachmittags nur noch mit ungezügeltem Schokoladenkonsum überlebt (Ritter Sport Care-Pakete bitte an PO Box 7717-40100 Kisumu) und abends, gleich nachdem der Junior im Bett ist, auf dem Sofa einschläft. Das würde ich aber natürlich nie zugeben, schließlich habe ich das tollste Kleinkind der Welt!

Manicure: mit Kind wie ein Kind lachen
Helmet: Kaffeemaschine einschalten und Ritter Sport aus dem Kühlschrank holen


Anfang Oktober in Deutschland

Ende Mai, an Liam's 1. Geburtstag

Montag, 17. November 2014

Wieder da

Ich sitze in einem Training über Project Cycle Management in der humanitären Hilfe. Seit 15 Minuten schwadroniert der Trainer, der von seiner Assistentin „Professor“ genannt wird, über „Workshops für Erwachsene“. Mit ist nicht klar, was das mit unserem Kurs zu tun hat. Und da der Professor seine eigenen Regeln nicht befolgt, bin ich vorhin mental ausgestiegen. Ich habe schon eine lange to-do-Liste aufgestellt und eine Liste mit Dingen, die ich über Mittag erledigen will. Nun arbeite ich den ersten Punkt meiner to-do-Liste handschriftlich ab: Blogbeitrag schreiben! Der Professor denkt bestimmt, dass ich fleißig Notizen mache. Ha. Fast wie früher im Gymi, als ich mit meinem guten Freund und „partner in crime“ (alias mein Schwager) in der letzten Reihe saß und für die Jungschar vorbereitete.

(...) Wir haben Kaffeepause. Ich schenke mir die zweite Tasse Kaffee ein. Nescafé. Bitte?!?! Instant?! Mit mir ist es ziemlich weit gekommen, oder – ich bin ziemlich weit gekommen in den dreieinhalb Jahren, die ich in Kenia lebe. Das fällt mir vor allem jetzt mal wieder auf, wo ich relativ frisch von meinem Deutschlandbesuch zurück bin. Ein paar Beobachtungen:

Nescafé trinken
Als ich neu im Land war, habe ich mich darüber gewundert, wie wenige Restaurants gebrühten Kaffee anbieten. Dabei wird hier doch Kaffee angebaut! Überall gibt es nur Portionstütchen mit Nescafé oder noch schlimmerem Instantkaffee. Inzwischen wundere ich mich zwar immer noch, aber nach meiner etwa 2-jährigen Weigerung, Instant zu trinken, trinke ich ihn nun wie selbstverständlich und rühr mir sogar noch ein zweites Tässchen an. Schmecken tu ich den Unterschied aber noch!

Matatu tout (Pseudo-Schaffner) bestechen
Jetzt geht’s ans Eingemachte. Korruption ist schlecht. Bestechen sollte man niemanden niemals. Wenn ich aber für 40 Cent „Aufpreis“ die beiden (bis dahin besetzten) Vordersitze im überfüllten Sammeltaxi für Liam, meine Taschen und mich kriege, dann – tja, dann nehm ich die.

Matatus halten immer da, wo man sie braucht

Nichts kaufen ohne zu feilschen
Auf der Straße einkaufen ist praktisch. Und es macht Laune – wenn die Händler Spaß am handeln haben, was eigentlich immer der Fall ist. Wenn ich es dann schaffe, auf einen realistischen Preis (also nicht den „Weißen-Preis“) zu kommen, fühlt sich der Einkauf gleich doppelt so gut an. Auch wenn es nur eine Ananas ist.

Einen Tausender wert sein
In Deutschland ist es mir wieder aufgefallen: 10 Euro sind einerseits irgendwie viel Geld, andererseits kriegt man nicht viel dafür. Nicht umsonst gibt es noch deutlich höhere Scheine. In Kenia ist der größte Schein die 1.000-Schilling-Note, etwa 10 Euro (der Wechselkurs schwankt zwischen 105-100 KSH : 1 Euro).  Viele Leute haben nur selten einen Tausender in der Tasche, oft können sie auf 1.000 Schilling nicht rausgeben. Und auch ich mache inzwischen große Augen, wenn etwas mehr als 1.000 Schilling kostet, und frage mich zweimal, ob ich so viel Geld ausgeben kann und will. Da hat sich mein Maßstab ganz schön verschoben. Hier mal ein paar Lebenshaltungskosten:
1 l Milch = 0,90 Euro
1 kg lokale Bananen = 1,10 Euro
1 kg Reis = 1,10 Euro
1 Liter von meinem Lieblingseis = 3,80 Euro (das ist bei weitem nicht die Luxussorte)
Autoreifen flicken = 2,50 Euro
1 Matatu-Fahrt von uns in die Stadtmitte = 30 Cent
1 Tuktuk-Fahrt von uns in die Stadtmitte = 2,80 Euro
1 Tag Haushaltshilfe = 5 Euro

Zeit und Raum flexibel handhaben
„Morgen“ ist die Standardantwort aller Handwerker und sonstiger Dienstleister auf die Frage, wann etwas erledigt wird. Dann wieder morgen. Und morgen wieder morgen. Morgen kommt bekanntlich nie. Es lohnt sich auch nicht, jemanden am Telefon zu fragen, wo er ist. Wenn man vor 10 Minuten verabredet war, ist er ganz bestimmt schon direkt um die Ecke. Aber nach 20 Minuten immer noch nicht da. Leider falle ich auf diese Spielchen immer wieder rein und ich habe auch immer noch nicht so ganz verstanden, warum alle Kenianer das so unbeschwert spielen.

Manicure: die Gegebenheiten hüben wie drüben annehmen

Helmet: manchmal sein eigenes Ding machen


Die Problemlösungsstrategie eines Trainings-Kollegen