Sonntag, 29. Dezember 2013

Und trotzdem: Weihnachten

Etwas unfreiwillig hatten wir dieses Jahr sehr reduzierte Weihnachten. Ohne Musik, ohne gemuetlich Film gucken, ohne Weihnachtsemails. Ohne Kamera, um meinen wirklich sehr huebsch dekorierten echten (!) Weihnachtsbaum oder das leckere Essen inklusive Oma’s Weckle zu fotografieren. Mein Wunsch nach beglueckenden Weihnachten hat sich naemlich erfuellt! Ein Hoch auf das 6-Punkte-Programm!

Auch wenn es im Vorfeld gar nicht nach froehlichen Weihnachten aussah. Wir sind Donnerstag Nacht, also ein paar Tage vor Weihnachten, ausgeraubt worden. Jawohl, schon wieder. Dieses Mal waren wir im Haus, haben geschlafen. Auf einmal hoeren wir die Nachbarin laut und schrill schreien, wie nur kenianische Frauen schreien koennen. Joshua wacht auf, steht auf, geht in den Flur – und stellt fest, dass jemand im Haus war. Die Tuer sperrangelweit offen, und die paar wertvollen Sachen, die uns geblieben waren, weg. Mein Laptop und damit alle Bilder von Liam. Seufz. Ich hatte schon ein paar Tage dran gedacht, mal wieder ein Backup zu machen. Aber diese „wenn’s“ gingen mir ja schon nach dem letzten Vorfall mehr als genug im Kopf rum. Der Fernseher, meine kleine Kamera, die Gasflasche mit Kochaufsatz, Bargeld, meine Handtasche (schon wieder! Wann lernen die mal, ihre eigene Tasche mitzubringen? Machen die im Fernsehen doch auch so, da ist immer eine schwarze Reisetasche dabei), mein Kindle und etwas Kleinkram. Immerhin hat das Rufen der Nachbarin die Einbrecher aufgeschreckt, und sie sind abgehauen, bevor sie auch noch den DVD-Spieler mitnehmen konnten. Zuerst dachte die Nachbarin, sie wuerde Joshua vor dem Haus herumlaufen sehen. Sie hat mit einigem schauspielerischem Talent vorgemacht, wie die fragwuerdige Person etwas durch die Gegend schleppte, was sie verwundert nachdenken liess, warum wir denn mitten in der Nacht umziehen wuerden. Bis ihr der rettende Gedanke kam: Das sind gar nicht wir, dass sind Einbrecher! Woraufhin sie anfing zu schreien, siehe oben.

Nach einigem Raetseln haben wir festgestellt, dass die Schurken uebers Dach eingestiegen sind. Sie haben die Dachziegel abgeraeumt, das darunter liegende Wellblech durchschnitten und sind dann durch die hier ueblichen Dachluken in der Holzdecke eingestiegen. Dass wir davon nichts mitbekommen haben, ist sehr seltsam, womoeglich haben sie irgendein Betaeubungsspray verwendet. Dass ausgerechnet in der Nacht unser Night Guard krank war und die Sicherheitsfirma keinen Ersatz geschickt hat, laesst auch ein paar Fragen offen. Gar nicht ueberraschend ist, dass sich die hiesige Polizei auch dieses Mal als voellig nutzlos erwiesen hat. Wir haben es nicht mal geschafft, einen Polizisten zur Tatortbesichtigung zu bewegen.

Das eigentliche Weihnachtswunder ist aber: Uns ist wieder nichts passiert. Und in all dem Aerger und der Furcht erleben wir zauberhafte Dinge, die es wohl nur an Weihnachten geben kann (und wenn Gott am Wirken ist): Freunde schenken uns Dinge, die wir verloren haben. Schicken uns Geld, damit wir nachkaufen koennen, was wir brauchen. Ermutigen uns mit ihrer Anteilnahme.

Und wie gesagt, wir hatten einfach schoene, froehliche Weihnachten. Der innere Frieden, den ich vom letzten Mal noch spuere, ist immer noch da, und immer noch weiss ich, dass wir hier am rechten Platz sind. Auch wenn Joshua etwas Frust ueber seine Landsleute schiebt und sich einiges an Gedanken macht, wie er uns noch besser schuetzen kann. Auch wenn wir jetzt aus Kisumu raus in einen Vorort mit dem schoenen Namen Mamboleo ziehen, was mir etwas schwer faellt, ich bin zu gerne in der Stadt. Auch wenn ich ein paar der gestohlenen Dinge vermisse. Wie gut, dass trotzdem auch dieses Jahr Weihnachten wurde und das Christkind zu uns kam. Alle Jahre wieder. Und jeden Tag.

Manicure: Weihnachtsfreude
Helmet: Himmlische Heerscharen zum Schutz um das Haus bitten

Dienstag, 17. Dezember 2013

Advent, diesmal richtig


Die letzten drei Jahre war ich leicht gefrustet, was Advent und Weihnachten in Kenia anging. Advent gab es gar nicht, Weihnachten eigentlich auch nicht. Abgesehen von einmal Weihnachtslieder singen mit Freunden, dem Coca-Cola Weihnachtsmann (immerhin ein Schwarzer!) auf sämtlichen Werbeflächen und einem so genannten Weihnachtsgottesdienst, der für meinen Geschmack und mein Kulturgefühl keiner war.

Deswegen habe ich dieses Jahr beschlossen, es besser zu machen. Mit dem vollem Programm. Punkt 1: Gutsle backen. Oder Weihnachtsplätzchen, wie man im Ausland wohl sagen muss. Dafür habe ich mich mit einer deutschen Freundin getroffen, die auch mit einem Kenianer aus Kisumu verheiratet ist. Sie ist übrigens auch Schwäbin. Wir haben einen Nachmittag und einen Vormittag in der Küche gestanden. Ergebnis: Sechs Sorten Gutsle und jede Menge gutes Gefühl im Bauch. Ihre Kinder haben sich derweil darum gestritten, wer Liam halten und bespaßen darf, bis wir einen genauen Zeitplan aufgestellt haben, der auf die Minute eingehalten werden musste.

Ausstecherle - das muss sein
Drei kleine Luo-Schwaben

Punkt 2: Adventskranz. Eben jene deutsche Freundin hat mir einen Adventskranz gebastelt! Sie hat ihre Jungs dafür irgendwo in den Busch geschickt, wo etwas tannenartiges wächst. Sieht hübsch aus und riecht gut.

Punkt 3: Weihnachtsdeko. Zwar nicht ganz so großzügig wie zu Berliner Zeiten, aber immerhin, ich habe unser Wohnzimmer geschmückt. Hier ein Sternchen, dort ein Rentier, an der Tür eine Weihnachtsgirlande. Größtenteils Sachen, die lokal mit Blech, Farbe, und bunten Perlen hergestellt wurden. Dazu mein Pseudo-Erzgebirge-Weihnachtsbaum, der im Dunkeln wirklich hübsch leuchtet.
 
Stimmungsvoller 3. Advent im Hause Weber-Ogola

Punkt 4: Weihnachtsessen. Ich weiß noch nicht so recht, was wir da machen. Eins aber auf jeden Fall: Die leckeren von Oma gebackenen Weckle, die es immer beim großen Familientreffen am 24.12. bei Oma und Opa Ruit gab. Die backe ich. Vielleicht mache ich auch Oma’s Kartoffelsalat dazu. Und Spätzle, nach dem Rezept von der anderen Oma? Braten dazu, fertig. Wäre das Weihnachtsessen auch geklärt.

Punkt 5, ganz wichtig: Weihnachtsbaum. Ganz wichtig! Joshua hat versprochen, mir einen Baum zu schlagen. Tannen gibt es hier ja leider nicht, aber was nadeliges wird es werden. Schmuck habe ich, zwar nicht viel, aber notfalls wird schnell noch ein wenig Salzteig angerührt und Ausstecherle angemalt. Papiergirlanden kriege ich auch hin. Die hässliche Deko aus dem Supermarkt gebe ich mir jedenfalls nicht. Wahrscheinlich muss ich mich mit elektrischen Kerzen begnügen, aber gut, ein Kompromiss geht.

Punkt 6: Wetter. Ich bin ganz im Glück: Dieser Dezember ist bisher total verregnet und entsprechend kühl. Morgens brauche ich einen Pulli oder wenigstens was langärmliges, und abends auch. Socken zwar immer noch nicht, aber darauf hätte ich ehrlich gesagt auch keine Lust. Man gewöhnt sich ja doch an die angenehm warmen Seiten des Lebens hier. Es ist erstaunlich, wie das Klima die Stimmung beeinflusst. Ich fühle mich jedenfalls viel weihnachtlicher, wenn ich nicht schwitze.

Also, mein 6-Punkte-Programm für fröhlichere Weihnachten steht. Nebenbei lasse ich Weihnachtsmusik laufen. Der Gottesdienst in meiner gemischt kenianisch-internationalen Gemeinde wird hoffentlich weihnachtlicher als der aufm Dorf. Habe ich was vergessen? Nein? Nun denn, auf an die Krippe! Zu dem Grund, warum wir Weihnachten feiern. Die Geburt unseres Heilands! Darüber freue ich mich auf jeden Fall. 

Manicure: Deutschen Weihnachtsglanz nach Kenia holen
Helmet: Nächstes Jahr aber wirklich in Deutschland feiern (s. 2011)

Montag, 25. November 2013

180 oder so Tage und Nächte

Heute vor einem halben Jahr bin ich Mama geworden. Mama Liam. Diesen Namen trage ich inzwischen richtig gerne. Ich genieße es sehr, Mama zu sein. Mama Liam.

Meine internationalen Freunde, die unseren quietschfidelen und properen Jungen eine Weile nicht gesehen haben, bemerken wie „groß“ Liam geworden ist. Meine Nichte auf dem Dorf rief erstaunt aus: „Du bist inzwischen so fett!“ In einem erschrockenen Moment dachte ich, sie meint mich. Was in ihrer Welt auch ein Kompliment gewesen wäre. Sie war aber nicht von meinen, sondern von Liam’s Speckröllchen begeistert.

etwa Tag 176
Tag 2

 

Und, wie war das erste halbe Jahr? Schön war’s! Und, wie ist es so, ein Baby zu haben? Ehrlich gesagt geht es in den ersten paar Monaten nur um drei Themen: Schlafen, Essen, Wickeln.

Schlafen: Ich hätte nie gedacht, dass man so, so, so müde sein kann. So müde, dass einem jeder Knochen weh tut. So müde, dass man morgens eine Tasse Kaffee braucht, bevor man physisch und intellektuell in der Lage ist, die Kaffeemaschine zu bedienen. So müde, dass man sich nicht entscheiden kann, ob man während dem kurzen Baby-Schläfchen seine schon wieder scharfen Fingernägel abknipst (keiner sagt einem, wie schnell Baby-Fingernägel wachsen! Es ist unglaublich!), kurz was erledigt oder doch lieber selbst ein Nickerchen macht. Letzteres. Von Nachts durchschlafen hält Liam nach wie vor nicht viel. Wir sehen uns so alle zwei Stunden. Dafür renne ich abends nicht mehr alle zehn Minuten an sein Bettchen, nachdem ich ihn hingelegt habe. Nur mal gucken, ob er noch atmet und man weiß ja nie?! Wir sind da inzwischen etwas entspannter (ok – ich, Joshua war’s schon immer).


Essen: Seit ein paar Tagen isst Liam! Jawohl, er isst, er trinkt nicht nur! Bisher zwar nur ein kleines Esslöffelchen Karotte pro Mahlzeit, aber immerhin. Das Gesicht, das er dabei zieht... Da ist alles drin, von Verwunderung über Ekel bis zu Ablehnung. Und wo das bisschen Karottenmus alles landet! Auf dem Boden, dem Hochstuhl, dem Latz, den Fingern, im Gesicht, den Haaren und ein bisschen was auch im Mund. Vielleicht probieren wir es als nächstes mit Papaya. Genauso orange, aber ein wenig süßer.

Möhre??
Och neee!!
   

Fleisch? Jucheee!!

Wickeln: Ja, es ist leider wahr: Man wird sehr vertraut mit den Ausscheidungen des Nachwuchses. Wie riecht’s, wie schaut’s aus, wie viel ist es und wie oft. Vorgestern habe ich bis mittags drei Igitt-Windeln gewechselt. Die erste noch vor dem ersten Kaffee. Puh. Bei Stoffwindeln doppelt unangenehm (ansonsten finde ich Stoffwindeln nach wie vor super). Und gestern ist mir bei dem Versuch, Baby mit voller Windel zu balancieren und gleichzeitig meine Haare zu sichern meine Haarspange in die Toilette gefallen, deren Spülung ich gerade getätigt hatte. Haarspange weg. Warum das alles irgendwie gleichzeitig passiert ist, fragt nur jemand, der kein Baby hat.

...jetzt sitzt das.
Mit einem Monat war da noch gut Luft...
  

Natürlich ist es völliger Quatsch, dass es nur um Schlafen, Essen, Wickeln geht. Es geht um viel mehr. Es geht um diese unbeschreibliche Zuneigung und Liebe. Um den besonderen Moment, wenn die kleinen Ärmchen das erste Mal um den Hals fassen und festhalten (der Zauber dieses Moments ist dann vorbei, wenn die kleinen Händchen gleichzeitig nach den Haaren fassen und ziehen). Die Schönheit und Fröhlichkeit eines Babylächelns. Das ansteckende, tief aus dem Bauch kommende glucksende Babylachen. Die friedliche kleine Welt, wenn man mit Baby kuschelt. Und die glückliche Gewissheit, dass man in der richtigen Familie zuhause ist.

Manicure: Es genießen, Mama Liam zu sein
Helmet: Es ist noch keine Super-Mom vom Himmel gefallen  

Montag, 4. November 2013

Kartoffel, Kürbis und Co


Am Wochenende war amerikanische Halloween in Kenia, organisiert von einem Mexikaner. Das hört sich mindestens multikulti, wenn nicht absurd an. Es hatte von beidem etwas. Und gar nichts von unserem Allerheiligen.

Da es in Kisumu aus verschiedenen Gründen nicht sicher ist, mit einer Horde Kinder zu Fuß durch die Stadt zu laufen, haben wir uns in einer abgesicherten Wohnsiedlung getroffen, wo einige amerikanische Familien wohnen. Und dort war Halloween-Alarm. Jungs in sämtlichen Hollywood-Heldenoutfits: Superman, Iron Man, Spiderman (immerhin auch ein harmloser Thomas the Train) und Mädels in Hollywood-Prinzessinnenoutfits: Tinkerbelle, Cinderella, Prinzessin die Xte. Deko vor den Häusern: Gespenster, Skelette, Grabsteine. Und das wichtigste an Halloween: Jede Menge Süßkram, den die Kinder nach einem schnell dahingeplapperten „trick or treat“ in die Taschen und Körbe laden durften. Zu dumm, dass Liam noch zu klein dafür ist. Der Part hätte mir auch gefallen. Eine deutsche Freundin, die mit ihrem Sohn im Löwenkostüm dabei war, erzählte mir hinterher, sie habe die meisten Süßigkeiten einfach weggeschmissen und den Rest mit ihrem Mann gegessen. Letzteres fand ich einen sehr guten Plan, vor allem, da mein Mann keine Süßigkeiten mag.  

Aaattacke!

Buuuhh!!

Nachdem die Kinder ihren Spaß hatten, ging es für die Erwachsenen weiter mit der Halloween-Party. Besser gesagt: Mit dem mexikanischen „Día de los Muertes“, Tag der Verstorbenen. Wie und was das ist, lässt sich bestimmt googeln. Unser mexikanischer Gastgeber hatte uns jedenfalls eine Aufgabe für das Jeder-bringt-was-mit-Buffet gestellt: Ein Lieblingsessen von einer geliebten verstorbenen Person mitbringen. Ich habe eine Weile gerätselt, was ich da machen könnte, bis mir der Kartoffelsalat von Oma Ruit einfiel. Hervorragend! Den gab’s für alle in Ruit ansässigen Familienmitglieder jeden Sonntag, also wirklich jeden. Wir Kinder haben den nach der Kirche abgeholt, später, als sie nicht mehr selber kochen konnte, samt Oma. Zum Glück ist das Rezept überliefert – also nichts wie ran an die Kartoffeln. Natürlich wurde er nicht so schön wie bei Oma. Irgendwie hat sie es immer geschafft, dass die Kartoffelrädchen wirklich Scheiben waren. Meiner ist ziemlich zerbröselt und zermatscht. Und ganz so schön geschmatzt wie Omas hat er auch nicht. Aber als ich eine deutsche Freundin am Buffet dabei erwischt habe, wie sie sich vom Kartoffelsalat schöpfte und vor sich hin murmelte: „Ist der lecker, da muss ich mir noch ein zweites Mal nehmen“, war ich doch ganz zufrieden.

Liam und ich haben uns übrigens auch verkleidet. Wenn schon, denn schon. Erst dachte ich, ich kleb uns einfach einen Papp-Kürbis ans Tragetuch. Aber dann bin ich im Internet auf dieses Spinnenkostüm für Babys gestoßen. Baby = Spinne, Mama = Spinnennetz. Sehr passend für das Land der kleinen und großen Krabbeltiere. Ich musste allerdings etwas improvisieren, ich hatte nur ein paar Stunden Vorlaufzeit und keine Lust, extra einkaufen zu gehen. Deswegen kam das Kostüm in etwa so nah an das Internetvorbild ran, wie mein Kartoffelsalat an Omas. Joshuas von der Sonne mitgenommenen schwarzen Strümpfe waren sechs der acht Spinnenbeine (die beiden anderen hat Liam selbst gespielt, in meinen schwarzen Socken), mein Paschminaschal der Spinnenkörper. Ein wenig weiße Schnur um einen schwarzen Rock geknotet, zack, ist das Outfit fertig. Nächstes Jahr plane ich etwas früher. Liam wird als Tasse Cappuccino gehen. Super Idee, oder? Kommt von meiner Schwester. Da merkt man eben die langjährige Halloweenerfahrung in dem Land, das Halloween erfunden hat.

Da braucht es schon ein gutes, kreatives Auge, um die Spinnenbeine zählen zu können.

Manicure: Schwäbischer Kartoffelsalat in Kenia
Helmet: Besser ein improvisiertes Kostüm als gar keines. Oder?! 

Dienstag, 29. Oktober 2013

Zurück zur Normalität


Es wird Zeit für normales Leben. Und für einen undramatischen Blogeintrag nach der letzten aufregenden Geschichte. Seltsam, ich teile mein Leben immer noch nach „vor dem Überfall“ und „nach dem Überfall“ ein.

Also, normales Leben. Was passiert in unserer Straße? (Ich hör mich schon an wie eins der Bilderbücher, das ich Liam demnächst vorlesen werde.) In der Straße, besser gesagt: dem nach deutschen Begriffen unbefestigten Feldweg, in dem wir wohnen, laufen die Hühner und Kühe unserer Nachbarn links und rechts frei herum. (Man könnte meinen, es handelt sich um das Bilderbuch "Auf dem Bauernhof")

Wer braucht schon einen Bauernhof, wenn er solche Nachbarn hat?


Die Mistkratzer kommen auch schon wieder zu uns in den Garten rüber – deswegen bin ich doch aus dem Dorf extra in die Stadt gezogen, damit ich keine Hühner mehr verjagen muss. Fragt mich doch meine Schwägerin, warum ich keine „running chicken“ mag. Naja, ich mag die einfach immer noch am Liebsten, wenn sie nicht mehr rennen, sondern bereit für den Kochtopf oder die Tiefkühltruhe sind. Erst heute habe ich wieder zwei eingefroren. Nein, keine von den Nachbarn entwischten. Eine entfernte Verwandte hat frisch geschlachtete und gerupfte Hühner vom Dorf vorbeigebracht. Die frieren jetzt bei minus 18 Grad neben Viktoriabarsch und Rindfleisch vor sich hin.

Ach, ich werde ganz wehmütig, wenn ich an eisige Füße denke. In der Heimat ist jetzt Herbst, und bald geht es in den Advent. Der wird unter der heißen Sonne Afrikas wieder einfach so verdampfen. Internationale Freunde, die seit vielen Jahren hier wohnen, behaupten, dass man sich irgendwann daran gewöhnt. Aber ich will Weihnachtsstimmung! Sozusagen auf Vorrat habe ich im September in Deutschland schon mal eine Packung Dominosteine gegessen. Und dieses Jahr gibt es einen Christbaum in unserem Haus, punktum. Notfalls auch aus Plastik. Unser Bub muss doch deutsche Weihnachten kennenlernen (super Argument)! Mh. Hört sich so an, als ob es eher ein Weihnachten wie bei den Herdmanns geben könnte... Ich werde berichten. 

Und da ich mich gedanklich schon wieder Weihnachtsplätzchen und Co. zuwenden kann, geht es mir offensichtlich wieder recht gut. Tut es wirklich. Der Überfall verblasst, die unmittelbare Angst ist weg, die Wehmut ob der verlorenen Dinge auch. Was überwiegt, ist die Freude am Leben, die uns jeden Tag neu aus zwei fröhlich blitzenden braunen Augen in einem kleinen, pausbäckigen Gesichtchen entgegenstrahlt.



Manicure: Gefrorene Hühner
Helmet: Ein kurzer, unaufgeregter, vielleicht sogar irrelevanter und deswegen guter Bericht



Unser Kiosk an der Ecke bekommt seine Brotlieferung per Fahrradkurier

Freitag, 27. September 2013

Wenn ich morgen aufwache


Und wenn ich morgen aufwache, war alles nur ein Traum. Die Handys liegen auf dem Tisch, die Spiegelreflexkamera ruht im Schrank, meine Handtasche hängt über ihrem Lieblingsstuhl und Joshua’s Computer steht wie immer auf dem Wohnzimmertisch im Weg. Die Platzwunde an meiner Stirn ist einfach nicht da. Wenn wir losgehen, packe ich Liam’s Wickeltasche mit Stoffwindeln und Lieblingsspielzeug.

Das hat leider nicht geklappt. Ich taste nach meiner Stirn, und da ist eine ordentliche Schwellung. Alle unsere Wertsachen und die nicht so wertvollen, aber sehr liebgewonnenen Dinge sind weg. Wir sind ausgeraubt worden. Wie im Film, zwei Typen auf einem Motorrad mit vorgehaltener Knarre. Gegen 21 Uhr sind wir von einem Besuch bei unserer Familie auf dem Land zurückgekommen. Wir mussten kurz mit dem Auto anhalten, um von unserer Sicherheitsfirma den dort hinterlegten Hausschlüssel entgegenzunehmen. Die Firma hat ihr Büro in unserer Straße, zwei Häuser weiter. Und dann geht es los mit den tausend „wenns“, die in meinem Kopf herumschwirren. Wenn wir den Schlüssel gehabt hätten (hätten sie uns womöglich am Haus erwischt, was noch böser hätte ausgehen können). Wenn wir, wie eigentlich immer, wachsamer gewesen wären bei Motorrädern und Fahrzeugen um uns herum. Wenn ich einfach alles rausgegeben hätte (ich war so dumm – dummdumm! Wirklich, ich weiß es aus Trainings und Gesprächen besser – an meiner Spiegelreflex festhalten zu wollen. Krach, hat mir einer den Pistolenknauf über den Kopf gezogen). Wenn ich nicht ausgerechnet an dem Tag ausnahmsweise die Kamera dabei gehabt hätte. Wenn ich meine Handtasche beim Kindersitz auf den Boden gestellt hätte, wo man sie nicht sieht. Wenn ich fix reagiert hätte und irgendwas nach hinten in den Kofferraum geworfen hätte (den öffnen sie meist nicht). Wenn wenigstens nicht alles in der Handtasche gewesen wäre. Wenn Joshua seinen Computer mit Foto und Dokumenten nicht mitgenommen hätte. Wenn der Security Guard nicht Muffensausen bekommen hätte und davongerannt wäre. Wennwennwenn.  

Aber ganz bewusst sage ich: egal. Denn wir sind heil geblieben. Freunde haben mich in der Nacht liebevoll aufgenommen und versorgt, während Joshua zur Polizei ist. Andere Freunde haben uns dann mit zwei Fahrzeugen nach Hause eskortiert. Am anderen Tag ist ein Strom an Mitgefühl und Hilfe über uns hinweggeschwappt. Besuche, Anrufe, Emails, Facebook. Das hält bis heute, eine Woche später, an, und tut unglaublich gut. Was auch anhält, sind meine Schockmomente: Ich sehe Liam, der Gott sei Dank nur einen Schrecken bekommen hat, an den er sich nicht erinnern wird, und fange an zu heulen. Ich schließe panisch alle Türen im Auto ab, wenn Joshua kurz aussteigt und so die Verriegelung löst. Ich gehe keinen Schritt zu Fuß, und gucke misstrauisch jedem Motorrad hinterher (und davon gibt es hier viele). Ich komme mir manchmal immer noch vor wie im Film – und, mal nachschauen, vielleicht hängt meine Handtasche ja doch wieder am Stuhl?

Wie oft und wie lange wir in den letzten Tagen bei der Polizei waren, ist unsäglich. Trotzdem wird da nichts gehen. Meist stecken Polizisten mit den Kleinkriminellen unter einer Decke, leihen ihnen sogar für ein Taschengeld ihre Waffen aus. Der Officer, der unseren Tatbestand aufnahm, sitzt ohne Computer an einem Tisch mit lila Plastiktischdecke (samt Zitronen-Trauben-Dekor) in einem Raum, der nach Urin stinkt. Genau gegenüber ist die Übergangszelle für Gefangene, die dort in Eimer pinkeln, und dieser Duft weht ständig herein. Was will man da schon erwarten.

In all dem ist Gott unendlich gut zu uns. Wir haben Familie und Freunde, die uns zur Seite stehen. Mein Herz kommt zur Ruhe, ich schlafe nachts gut. Ich finde Trost in Liedern, die ich Liam vorsinge: Ein kleiner Spatz zur Erde fällt und Gott entgeht das nicht... wenn er die kleinen Dinge liebt, wie sehr liebt er dann mich. Jemand hat einen Teil unserer Dokumente gefunden und abgegeben: Ich habe Bankkarten, Personalausweis, Führerschein und etlichen Papierkrimskrams wieder. Auf alles andere verzichten wir nun erstmal.

Manicure: Freunde haben, wenn man sie am nötigsten braucht
Helmet: Mein Herz nicht an Dinge hängen

Sonntag, 21. Juli 2013

Mein kleines Äffchen


In Kenia wird ein Kind von der Großfamilie aufgezogen. Besser gesagt vom ganzen Dorf. Oder auch von der Stadt. Das erlebe ich in Kisumu immer wieder, wenn ich mit Liam unterwegs bin. Jeder, aber auch jeder, egal ob Mann, Frau, Postangestellte, Bedienung, Sicherheitspersonal fühlt sich berufen und befugt, mir Tipps zu geben, wie ich das Kind zu halten, anzuziehen oder zu stillen habe.

Gestern sprach ein Tuk-Tuk-Fahrer aus, was wahrscheinlich alle denken, wenn sie Liam bei mir im Tragetuch sehen: „You are carrying the baby monkey-style!“ Ja, genau, ich trage mein Baby wie eine Schimpansen-Mama vor der Brust, und Liam liebt es! Meistens schläft er nach anderthalb Minuten ein. Das entspannt das Unterwegssein, und außerdem habe ich so die Hände frei. Kinderwägen gibt es in Kisumu praktisch nicht. Wir hatten einen von einer Freundin geerbt (aus den Achtzigern mit Bauernhof-Schäfchen-Küken-Motiv, eigentlich sehr passend). Der ist uns aber noch im Haus vor dem ersten Außeneinsatz zusammengebrochen. Gutes Timing, sonst hätten wir nach dem ersten Schlagloch Baby plus Kinderwagen tragen müssen. Hier ist es üblich, dass die Frauen ihre Kinder die ersten Monate im Arm halten. Wirklich, die laufen so durch die Gegend. Total umständlich und außerdem unbequem. Aber so gehört es sich, bis sie später in einem simplen Tuch auf dem Rücken getragen werden. Deswegen kann und darf es nicht sein, dass Liam von Anfang im Tuch! und vor der Brust! getragen wurde. Ganz große Augen gibt es, wenn ich Liam aus dem Tuch schäle und in den Maxicosi verfrachte. Wieso ich ihn nicht einfach halte, das sei doch viel besser?

Affenmama mit Jungem

Was auch gar nicht geht, ist, dass Liam den Temperaturen angepasst tagsüber nur einen kurzärmligen Body trägt. Man ist hier der Meinung, dass Babys warm eingepackt werden müssen. Das ist ja grundsätzlich richtig. Aber müssen es bei 30 Grad im Schatten lange Kleidung, ein Schneeanzug (kein Witz), eine Wollmütze plus eine warme Decke sein? Und dazu die Körpertemperatur des Tragenden? Wenn ich entsetzt angeschaut werde ob meines halbnackten Kindes erkläre ich immer, dass der Bub deutsch ist. Deutsche frieren nicht unter der afrikanischen Sonne. Ob ihnen schon mal aufgefallen ist, dass ihr Kind Schweißperlen auf der Stirn hat? Meine Vermutung ist ja, dass sie die Kinder ins Hitze-Delirium befördern, um sie ruhig zu halten.

Und dann das Thema stillen. Wann auch immer Liam „mäh“ macht, kommt von irgendwo ein „Nyonyo, nyonyo!“ Das heißt Busen oder stillen oder beides. Selbst die Straßenverkäuferin mit dem Bananenkorb auf dem Kopf konnte sich im Vorbeilaufen neulich den Kommentar nicht verkneifen. Ich habe mich erstaunlich schnell daran gewöhnt, die Milchbar immer und überall zu öffnen. Ehrlich, ohne Baby wäre es mir nie eingefallen, in Anwesenheit von Joshuas Kumpels meinen Busen auszupacken. Aber dank Baby und der allgegenwärtigen nyonyo-Akzeptanz ist das nun möglich. Und Liam dankt es mir mit schönen Speckröllchen an Armen und Beinen. 

Liam sorgt schon selbst für die notwendige Privatsphäre beim Stillen

Meistens freue ich mich über all die kurzen Gespräche hier und da. Denn was ich beschrieben habe, hat ja einen schönen Hintergrund: Die Kenianer lieben Kinder. Sie sind ganz verzückt, wenn sie so kleine Zwerge sehen, und jeder will das Baby streicheln und mal halten (selbst die Putzfrau vor der Toilette im Supermarkt. Da hab ich dann aber doch dankend abgewunken). Ich war ja bisher schon recht bekannt in der Stadt, aber seit ich meinen Obama Jnr dabei habe (kenianischer Vater + weiße Mutter = Obama), werde ich überall noch freundlicher gegrüßt und zuvorkommend behandelt. Was heißt da „ich“ – Liam! Machen wir uns nichts vor, mein kleines Äffchen ist der Held.

Manicure: Kinderfreundliche Menschen
Helmet: Manche Tipps einfach lächelnd zur Kenntnis nehmen


Obama-Massage

Liam wird von den Fingerspitzen aus dunkler :-)

Freitag, 7. Juni 2013

Baby Katja und Mama Liam



Ich wusste ja, dass ich Kinder sehr mag. Das können meine Nichten und Neffen, Patenkinder und sonstigen Zwerge aus dem Freundeskreis bestätigen. Aber dass ich mich in ein so kleines Wesen derart verknallen kann!

Am Samstag vor zwei Wochen kam Liam James auf die Welt. Und schon da wurde eine deutsche Tugend sichtbar, die ich ihm vererbt haben muss: Pünktlichkeit! Genau am errechneten Termin ging’s los, dabei war ich mir hundertpro sicher, dass es wenigstens eine Woche länger dauern würde. Der Kleine hat es zugegebenermaßen auch nicht ganz auf Termin geschafft, er kam anderthalb Stunden verspätet am neuen Tag zur Welt. Kein Wunder, bei dem Vater... A propos Vater: Meine beiden Jungs sehen sich dermaßen ähnlich! Liam hat die klassische Luo-Nase im knuffigsten Gesicht, mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen. Ein zuckersüßer Kerl, hübsch und goldig und perfekt (na und, bin ich eben voreingenommen als Mama!). Für die, die sich über die helle Haut wundern: Liam wird noch nachdunkeln, wie alle afrikanischen oder gemischten Kinder, und seine glatten Haare werden höchstwahrscheinlich noch lockig werden.


Von wem er wohl die großen Füße hat?




Wie gesagt, ich liebe ihn. So sehr. Und ich kann das Wunder oft noch nicht fassen. Wenn ich ihm meine Lieblingslieder aus der Kinderchorzeit vorsinge, zum Beispiel „Ich hab einen guten Freund“, fange ich spätestens bei „Ich mag dich sehr, ich hab dich lieb“ vor lauter Rührung und Glück und Dankbarkeit an zu weinen. Ich wechsle dann schnell zu „Wenn die Sonne ihre Strahlen morgens durch das Fenster schießt“ – das ist nicht ganz so herzerweichend. Für meinen derzeitigen hormonell bedingt übersentimentalen Gemütszustand.

Und nun stelle ich mir all die Fragen, die sich junge Mütter (also jung in Bezug auf die Kinder) trotz stundenlanger Recherche-Surferei und zig durchwälzter Bücher stellen: Sind zehn Pampers am Tag genug oder zu viel oder zu wenig? Wieso pupst der Nachwuchs immer in die gerade frisch gewechselte Windel? Warum komme ich morgens nicht mal zu einer 5-Minuten-Dusche? Wie stelle ich das Tröpfeln an der nicht-benuckelten Brust ab? Bei welcher exakten Raumtemperatur setze ich dem Baby das Mützchen auf? Ist die kenianische Badephilosophie (am Besten täglich mit viel Babyseife und -öl) oder die deutsche (einmal die Woche reicht, warmes Wasser ist sauber genug) die Richtige? Gut, dass meine Schwester das alles schon viermal durch hat und mir 24/7 per Skype oder Telefon mit Rat und Tat zur Seite steht. Und hier in Kisumu habe ich wundervolle Freundinnen, die mir ihre Lieblingsstillpositionen mit Liam’s Teddy vorführen, jeden Tag Essen vorbeibringen, den Süßen ausdauernd bewundern und halten und tausend andere Tipps und Mütter-Beistand geben. Dank all diesen guten Menschen und einem prima Ehemann und Daddy geht es mir schon wieder richtig gut, und Liam ist ein zufriedenes Kerlchen (der natürlich schon auch immer mal seine Stimme kräftig trainiert).


Tag 1: Schlafen...
Tag 8: Schlafen...

Tag 13: Schlafen... weil's so schön ist!


Wer hier die ausführliche Geburtsstory lesen will, den muss ich enttäuschen. Ich mag Internet-Geburtsstories nicht so sehr. Nur soviel: Meine Entscheidung, den Kreißsaal im Aga Khan Hospital in Kisumu vorher nicht anzuschauen, war goldrichtig. Sonst hätte ich mir das mit der Geburt vielleicht nochmals anders überlegt. Dort wird nämlich gerade renoviert, und der Kreißsaal ist etwas provisorisch und viel zu eng. Gleichzeitig mit mir waren da zwei andere Frauen drin – Privatsphäre adieu, hätten wir in den gegenüberliegenden Standardbetten (was anderes gab es nicht, darauf kommt das Kind zur Welt und fertig) die Beine ausgestreckt, hätten wir uns wahrscheinlich gegenseitig mit den Zehen kitzeln können. Immerhin konnte ich durchsetzen, dass Joshua bei mir bleibt, zuerst wollte die Krankenschwester mit Rücksicht auf die anderen Frauen keinen Mann im Raum. Pah. Ich habe mich geweigert, ohne Joshua überhaupt nur irgendwas zu machen. Und das war gut so; es war das Allerbeste, ihn dabei zu haben. Er hat mich wehenlang gehalten, gegen Ende fleißig mitgepresst (sagt meine Labour Coach – ich hab zu dem Zeitpunkt nicht mehr ganz so viel um mich herum wahrgenommen) und unseren Sohn liebevollst auf unserer Welt begrüßt. 

Leider hat sich auch mein Traum auf ein Einzelzimmer nicht erfüllt – ich bin wie schon bei der Malaria im Maternity Ward gelandet – die Wöchnerinnenstation. Ein Zimmer für sieben Frauen und deren Babies. Zum Glück waren wir nur zu viert. Also zu acht. Das Wecken wie im Mädcheninternat um 6 Uhr fand ich aber immer noch extrem unspaßig. Und auch die genervt-ungeduldige Frage der Krankenschwester um 7 Uhr, warum ich denn immer noch nicht duschen war. Hier wurde mir auch klar, dass ich nach kenianischer Tradition meine Identität als Katja verloren habe. Ab sofort heiße ich Mama Liam. Immerhin, das Essen war wieder gut und reichlich. Ich bin trotzdem am nächsten Tag wieder nach Hause. Das war wunderschön – daheim ankommen, auf einmal Liam da haben und ein ganz neues, zauberhaftes Leben beginnen!



Liam ist übrigens die Kurzform von William. Der Name bedeutet „standhafter, entschlossener Beschützer“. Im Wilhelm ist ja der Wil (von willio, Wille) und der Helm schon drin. Und James ist der deutsche Jakob(us): „Gott möge schützen“ oder „Gott schützt“. Joshua hatte sich gewünscht, dass wir den Bub nach seinem verstorbenen Vater James nennen. Nach einem ersten Namen haben wir ewig gesucht. Als die Wehen los gingen, haben wir uns nochmals die Favoritenliste vorgenommen und uns endlich geeinigt. Erst dann haben wir festgestellt, wie fein die beiden Namen von der Bedeutung zusammen passen. Genau das wünschen wir uns für unseren Sohn, ein behütetes Leben unter dem Schutz Gottes.

Oh, mein Süßer wacht auf. Ich muss los. Liam knutschen. Alles andere kann warten!

Manicure: Liam stundenlang anschauen
Helmet: L i a m  J a m e s !


Bei seiner Geburt wog Liam 2,6 kg (auf 52 cm verteilt). Nach 10 Tagen wollten wir mal nachwiegen - super, wieder bei 2,6 kg angekommen!

Donnerstag, 16. Mai 2013

Das geht nochmal


Ich bin aufgewachsen in einer Familie, die hier und da gerne mal was aufhebt (bei uns wird aufgehoben, nicht aufbewahrt). Schließlich könnte man die einzelne Schraube, das T-Shirt mit nur einem Loch nochmals brauchen. Wenn eben genau so eine Schraube fehlt und man nicht gleich eine ganze Schachtel kaufen will oder Gartenarbeit ansteht, für die die sonstige Garderobe zu schade ist. Erstens sind wir in Schwaben. Und zweitens erklärt sich diese Gewohnheit wahrscheinlich auch damit, dass meine Eltern in den knappen Zeiten nach dem 2. Weltkrieg aufgewachsen sind. Da geht man nicht leichtfertig mit Dingen um, die eigentlich noch gut, wenngleich derzeit nutzlos sind. Es hat uns Kindern ja auch oft geholfen. Was immer wir basteln wollten – ein Blick in den Keller, Problem gelöst. Spätestens bei Opa wurden wir fündig.

In Kenia nimmt das ganz andere Dimensionen an. Auch hier ist sicherlich der dünne Geldbeutel eine Motivation fürs Aufheben oder nochmals für was anderes verwenden. Einfach neu kaufen geht oft nicht. Und so werden Plastikschlappen, die neu weniger als 1 Euro kosten, für 10 Cent repariert. Überhaupt kann so ziemlich jeder Schuh repariert werden, entweder mit Nadel und Faden oder mit „Superglue“ (krasse Variante von Sekundenkleber). Große und kleine Wasserflaschen oder Kanister aus Plastik werden gesammelt und aufgehoben oder weiterverkauft. Aus Dosen entstehen Kerosinlampen. Risse in Plastikschüsseln werden mit dünnen Plastikstreifen geflickt. Gebrochene Plastikstühle (gehen vorzugsweise in der Rückenlehne kaputt) werden mit einem Stück Metall geheftet – oder man stapelt einfach zwei übereinander, die an verschiedenen Stellen gebrochen sind, dann kann man da auch wieder sicher genug drauf sitzen. Klamotten (gekauft auf dem Second-Hand-Markt mit Lieferungen aus Europa und USA) werden zigmal weitervererbt. Der Markt für gebrauchte Autoteile ist gigantisch. Überhaupt kann man wohl so ziemlich alles gebraucht kaufen: Pfannen, Spielzeug, Bettwäsche. Und. So. Weiter.

Ein paar Cent investiert, und die Schlappen sind wieder wie neu!
(Nein, das sind nicht meine Schuhe. So wild schlägt mein Schwabenherz dann doch nicht.)

Praktischerweise gibt es in unserer Familie fast nur Jungs, da kann man alles weitervererben. 

Der Schüsselflicker (danke fürs Foto, Elfi!)


Wirklich toll und kreativ ist, wie Kinder aus Resten, Abfall und Fetzen etwas schaffen. Fahrzeuge und Bälle in den schönsten Variationen. Da wird mit dem gearbeitet, was man eben so findet. Das macht einmal Spaß beim Bauen, und dann nochmals beim Spielen.

 


Zumindest stellt sich in Kenia nicht die Frage, wie man dutzende von Müllverbrennungsanlagen füllt, wenn nach den gelben, blauen, braunen und grünen Tonnen kein Restmüll mehr bleibt. Andererseits liegt leider auch immer wieder Müll rum. Und zwar von der hässlichen Sorte, mit der dann wirklich gar nichts mehr anzufangen ist. Für unseren privaten Müll haben wir ein Mini-Unternehmen beauftragt. Für eine monatliche Gebühr von 200 Schilling (keine 2 Euro) wird einmal die Woche ein großer Sack abgeholt. Wenn wir unseren Müll rausstellen, kommt mit großer Zuverlässigkeit ein Straßenjunge vorbei, der darin nach Brauchbarem schaut. Alles andere wird von den Jungs auf dem Müll-Pick-Up aussortiert. Vielleicht findet sich ja was, was man aufheben kann.


Manicure: Keinen Schuh mehr wegschmeißen müssen
Helmet: Möglichst viel aufheben für schlechte Zeiten