Mittwoch, 23. November 2011

Meine anderthalb-Minuten-Hochzeit


Ich kann es immer noch kaum glauben: Ich bin tatsächlich verheiratet! Wahrscheinlich sind es die Unwägbarkeiten dieses Landes und der Menschen in diesem Land, die mich bis zum Schluss in dieser „Das glaube ich erst dann, wenn es wirklich soweit ist“-Stimmung hielten. Deswegen bin ich jetzt auch umso mehr glücklich-überrascht-überwältigt!

Bis allein der ganze Papierkram erledigt war: Rausfinden, welche Dokumente bei einer kenianisch-deutschen Hochzeit für ihn und sie gefragt sind, diese Dokumente organisieren (was ich ganz klar ohne die Hilfe meiner Eltern in Deutschland nicht geschafft hätte – Danke!) und auf der Deutschen Botschaft in Nairobi beglaubigen lassen. Dass alle meine Dokumente nur als liebevoll ausgedruckte Farbscans vorlagen und nicht wie gefordert im Original, haben die Beamten zum Glück nicht gemerkt. Es war kurz vor der Mittagspause, als wir unsere Mappe vorlegten. Ein guter Zeitpunkt, wenn man schnell wieder aus dem Amt raus will!

Letzten Freitag, rund zwei Wochen nach Abgabe der Dokumente, war es soweit: Wir hatten unseren Trautermin beim Standesamt. Dazu sollten wir unsere Ringe und zwei Zeugen mitbringen. Joshua hatte seinen besten Freund Martin gefragt, und ich seinen Bruder Fred. Um halb neun wollten wir uns auf dem Standesamt treffen. Gegen acht rief Martin an: Er sei noch von außerhalb der Stadt unterwegs, es würde später, aber so bis in 1-2 Stunden sei er da. Wie bitte?! Fred sagte zwar, er sei in der Nähe, kam aber auch nicht, beziehungsweise viel zu spät. Glücklicherweise habe ich meine Bekannte Meleesa auf dem Gang getroffen, eine Amerikanerin. Sie war genau an dem Morgen da, um die Dokumente für ihre Hochzeit mit ihrem Verlobten aus Burundi einzureichen. Und sie ist lange genug in Kenia gewesen, um lachend und gerne zuzustimmen, meine Spontan-Zeugin zu werden und an Fred’s Stelle zu unterschreiben. Martin war nämlich inzwischen aufgetaucht. Martin ist dann allerdings genau in dem Moment wieder verschwunden, als wir nach zweistündigem Warten endlich in den Marriage Room gerufen wurden. Er hatte Hunger bekommen, weil er früh um vier losgefahren war, um rechtzeitig in Nairobi zu sein, und brauchte genau zwei Minuten, bevor es losging, was zu Essen. Mann!

Die Standesbeamtin fand das gar nicht amüsant, als ich allein in den Raum bin und ihr erklärt habe, dass mein Zeuge weg sei, aber bestimmt gleich wieder da, und mein Mann auch, weil er nämlich nach dem Zeugen schaue. Oder ob wir vielleicht einen Zeugen austauschen könnten, der andere war ja inzwischen angekommen? Nein, das geht nicht, weil die Heiratsurkunde bereits aufwändig auf einer Uralt-Schreibmaschine getippt worden war und überhaupt sind pro Paar nur wenige Minuten vorgesehen, und schon gar kein Warten auf irgendjemand. Ansonsten müssten wir eben nochmals raus und von vorne anfangen. Draußen saßen schließlich schon zig andere Paare samt ihrer Zeugen, die alle zur gleichen Uhrzeit bestellt worden waren. – Nein, bitte! Die beiden kommen ja bestimmt auch gleich!

Was war ich dankbar, als Joshua auf einmal mit Martin in der Tür stand! Die Standesbeamtin hat uns die richtigen Plätze vor ihrem Schreibtisch zugewiesen, und los ging’s. Nach den einleitenden Sätzen fragte sie nach unseren Ringen. Die Ringe!! Die waren noch in meiner Handtasche am anderen Ende des Raums. Aus der Stuhlreihe gezwängt, schnell zur Tasche und die Ringschachtel aus der Plastiktüte unseres üblichen Supermarkts gekramt (was anderes hatte ich am Morgen auf die Schnelle nicht griffbereit). Zurück zu ihr, alle aufstehen und erst Joshua, dann ich nachsprechen und Ring anstecken. Jeweils vier kurze Sätze, von der Standesbeamtin gelangweilt vorgesprochen, von Joshua heldenhaft und von mir mit zittriger Stimme wiederholt (da wurde mir auf einmal bewusst, wie „groß“ das ist, was wir da tun, und wie schön und voller Liebe und emotional!) – und schon waren wir verheiratet! Es blieb kaum Zeit für einen Kuss, weil bereits das nächste Paar reingerufen und auf unsere noch warmen Stühle gesetzt wurde. Alle noch unterschreiben, unsere Hälfte der Heiratsurkunde abreißen und entgegennehmen. Und während wir fix ein paar verwackelte Fotos in einer gruselig ausschauenden Blumenecke gemacht haben, fing schon die Zeremonie (oder was man so Zeremonie nennt) für das folgende Paar an.

Nachsprechen - Ring anstecken - Verheiratet sein!

Meine Adhoc-Zeugin Meleesa, Martin, das glückliche Paar, der Zu-spät-Zeuge Fred

Alles in allem eine echt kenianische Hochzeit, die mich sehr amüsiert hat. Die Romantik kommt dann im Februar bei der kirchlichen Trauung. Und das Wichtigste ist ohnehin: Es ist wirklich wahr, ich bin verheiratet!

Manicure: Heiraten
Helmet: Lange genug in Kenia gewesen zu sein, um ein solches Standesamts-Durcheinander lustig zu finden