Mittwoch, 28. April 2010

Die Weltverbesserer

Am Montag musste ich leider feststellen, dass meine Fähigkeit, die Wetterlage in Berlin realistisch einzuschätzen, noch nicht so überragend ist. Im Sudan war das einfach: blauer Himmel, Sonne, Hitze, fertig. Jeden Tag. Kein Problem mit der Kleiderauswahl (langärmlig – der Kultur, nicht dem Wetter angepasst). Hier ist das anders. Total unvorhersehbares Aprilwetter: kalt, warm, nass, trocken. Und alle Schattierungen dazwischen, innerhalb eines Tages. Prompt hat es also Montag Abend angefangen zu regnen, als ich mich aufs Fahrrad geschwungen habe, um zur Bandprobe in die Gemeinde zu radeln. Dabei sah es eben noch trocken aus! Irgendwie hat mich das ganz schön genervt. Regen im Gesicht (gut für den Teint, trotzdem unangenehm), die Jeans wird nass, die Hände kalt. Da hat mich auch der Gedanke nicht getröstet, dass woanders auf dieser Welt Menschen mit Dürre kämpfen und dankbar wären für jeden Tropfen Regen. Oder ich wenigstens nachher in ein warmes Haus komme, wo ich wieder trocknen kann, während andere in monsunartigen Regen über Wochen kein ordentliches Dach über dem Kopf haben. Gerade komme ich zurück aus einem wenig privilegierten Land, habe meine Maßstäbe und Prioritäten mal wieder ein wenig angepasst und ärgere mich trotzdem über Regen! Naja, so ist das wohl. Guter Mensch hin oder her.

Wer sind überhaupt „die Guten“? Also mit der Zugehörigkeit zur sogenannten sozialen Branche hat das jedenfalls nichts zu tun. Ein Vertreter dieser Zunft hat das gestern auf anschauliche und praktische Art und Weise verdeutlicht. Ich war auf einer Konferenz des DZI (vergibt das „Spendensiegel“), Teilnehmer waren hauptsächlich die Geschäftsführer sämtlicher gemeinnütziger und spendensammelnder Organisationen, die man in Deutschland so kennt. War früh da, und habe mir einen Platz an einem Tisch reserviert, indem ich die Tagungsmappe zusammen mit meiner Zeitung auf einen Stuhl gelegt habe. Ein Handtuch hatte ich ja nun leider nicht dabei! Bis ich zehn Minuten später wieder in den Saal kam, saß da jemand an meinem Platz, genauso wie an allen anderen begehrten Tischplätzen. Nur noch Stühle in den eng gestellten hinteren Reihen frei. Meine Zeitung lag auf dem Tisch, vor ihm. Ich bin zu dem Herrn hin, und dachte ich probier’s mal unaufdringlich auf diese Tour: „Entschuldigen Sie bitte, das ist meine Zeitung, oder?“ Ich habe mir eingebildet, er würde so was sagen wie, oh, ja, Entschuldigung, wollten Sie hier sitzen? Woraufhin ich natürlich gesagt hätte, ja, habe mir den Platz reserviert, aber kein Problem, bleiben Sie ruhig. Aber was sagt der moderne Hilfsorganisations-Mensch? „Ich weiß nicht, ob das Ihre Zeitung ist. Nehmen Sie sie mit!“ Ist doch schön, wenn man von guten Menschen umgeben ist.

Aber dass nicht überall, wo „better“ draufsteht, auch „better“ drin ist, das habe ich ja bereits letztes Jahr gelernt…

Manicure: feststellen, dass die anderen Weltverbesserer sich im Alltag auch nicht immer leicht tun
Helmet: hatte ich leider nicht dabei, war ja aber nicht so schlimm

Sonntag, 18. April 2010

Eigentlich müsste man mal…

Warum macht man eigentlich so selten, was man eigentlich mal müsste, könnte, wollte? Ich jedenfalls habe mir heute mit einer Freundin den Luxus gegönnt, das einfach mal zu tun. Ein herrlicher Urlaubs-Sonn-Tag in Werder, von Berlin aus in null-komma-nix mit der Bahn da, und dann einfach nur wohl sein! Der freundliche Abschluss unserer Genießer-Bummelei war ein Fischbrötchen von dem winzigen Fischlädchen im ehemaligen Wachlokal an der Inselbrücke. Und zwar – ganz wichtig – das Brötchen: Ohne Deckel! Die Oma-Fischverkäuferin war da sehr bestimmt. Man will doch sehen, was man isst! Die Leute heutzutage sind alle verdorben durch McDonalds, seit die da immer einen Deckel auf die Bulette machen! Recht hat sie. Der geräucherte Aal sah lecker aus, und genauso hat er auch geschmeckt, ohne Pappbrötchen drum rum. Und für 1,50 Euro hat Oma soviel Aal auf die Brötchenhälfte gepackt, dass es für die zweite Hälfte auch noch gereicht hat. Die hat sie uns nämlich lose mitgegeben, falls wir „ohne Deckel“ wider Erwarten und besseres Wissen nicht mögen.

Ansonsten: Ich bin wieder da! Jetzt auch gefühlt... Die letzten zwei Wochen war ich allerdings mächtig unterwegs. Zwar nur in Süddeutschland – aber das ist im Vergleich zu der ausschließlichen 3-minütigen Pendelei zwischen Guesthouse und Büro im Sudan schon rekordverdächtig! Wie sagte mein neuer Kollege so treffend, meine Wurzeln sind da, wo mein Koffer ist… Und glücklicherweise habe ich ja noch einen Koffer in Berlin!
Das schöne an meiner Tour war, dass ich in München und an den beiden Wochenenden in Stuttgart und im Allgäu viele alte Freunde und meine Eltern besucht habe. Offizieller Anlass der Reise war mein Einarbeiten bei der Stiftung „Menschen für Menschen“ (www.menschenfuermenschen.org), für die ich seit 01. April tätig bin. Ich werde mich um die Unternehmenskooperationen der Äthiopienhilfe kümmern. Das passt einfach toll zu dem, was ich früher bei Daimler gemacht habe, ich freue mich sehr darauf. Die Stiftung sitzt in München, ich werde aber in Berlin wohnen bleiben und viel von hier aus arbeiten. Es wird also bestimmt auch mal eine Geschichte aus der bayerischen Hauptstadt geben…

Manicure: Ein Eigentlich-müsste-man-mal-Tag
Helmet: Ein Koffer in Berlin



Meine Flur-Prosa