Freitag, 14. Januar 2011

Über die Zeit

Wir haben uns jetzt darauf verständigt, Joshua und ich, in Zweifelsfällen zwischen „German Time“ und „African Time“ zu unterscheiden. German Time heißt, wir halten uns halbwegs an die Uhrzeit oder den Wochentag, den wir verabredet haben. African Time heißt alles oder nichts....

„There is no hurry in Africa.“ Eile gibt es in Afrika nicht. Das ist gar nicht so leicht zu lernen. Jedenfalls nicht für mich. Zum Beispiel an Weihnachten. Ich war über Weihnachten und Neujahr bei Joshua in Kenia. Wir hatten Freunde eingeladen zum Grillen, Partybeginn 17 Uhr. Gut, auch in Berlin heißt das ne Stunde später. In Kenia meint das 20 Uhr. Was in dem Fall ganz praktisch war, denn wir waren nicht fertig mit den Vorbereitungen. Warum auch, eilt ja nicht! Als es dann aber auf 22 Uhr zuging und wir immer noch kein Essen aufm Tisch hatten, wurde ich doch so langsam nervös (hungrig wie ein Wolf war ich schon längst). Das hat aber niemanden außer mich gestört. War ja auch sonst kein Deutscher da. Mein schwäbisch-badisches Hausfrauenherz ließ sich nur dadurch besänftigen, dass wir Berge an Essen hatten (um genau zu sein eine komplette Ziege und zwei Hühner aufm Grill) und die Gäste letztlich sogar noch was mit nach Hause nehmen konnten bzw. mussten. Schade nur, dass wir keine Tupperdösle im Haus hatten ;-)
(Und es war auch mit oder trotz spätem Essen eine wirklich schöne, fröhliche Gartenparty!)

(Fotos von Weihnachten gibt es leider nicht. Meine Kamera wurde geklaut, Joshuas auch, zusammen mit allem anderen was Wert hat. Das ist wirklich schade. Ich hätte euch zu gerne den Christbaum gezeigt, den unser Nachbar für mich aus irgendwelchen Zweigen in einem Pott zusammengesteckt hat und den wir dann liebevoll mit aus Deutschland importierten roten Holzsternen und weißen Filzelchen dekoriert haben.)

So richtig nervig wird African Time, wenn man in nem knallheißen ungelüfteten Bus in der Sonne sitzt, der um 12 Uhr losfahren soll, aber auch um 13 Uhr noch keine Anstalten macht, wenigstens schon mal den Motor anzulassen. Info zur Lage gibt es keine, niemand außer mir hat es eilig, loszufahren. Wobei, irgendwie erinnert das an die Heimat, in der Bahn passiert mir das schließlich auch. Mit dem Unterschied, dass es da alle eilig haben mit der Abfahrt und wissen wollen, was genau denn nun das "technische Problem" ist!

African Time hat aber auch seine guten Seiten: Man kann sich in Ruhe um Freunde kümmern, auch wenn alles drunter und drüber geht. Man kann entspannt einen Kaffee am Morgen oder ein Bier am Abend trinken, auch wenn man seit 5 Minuten weg sein sollte. Man schafft es locker auf Termine, die vor einer Stunde oder gestern stattfanden. Hakuna matata!

Manicure: Die Zeit nach African Timing vertreiben
Helmet: Locker bleiben, wenn die deutsche Uhr tickt!

You are very beautiful! She is beautiful!

Ich kann diesen Satz nicht mehr hören. Das hätte ich auch nicht gedacht, dass es mir mal zuviel werden würde, Komplimente zu bekommen. Das Problem ist, dass dieses Kompliment immer exakt gleich formuliert ist, mir von wildfremden Frauen und Männern in Kenia beim ersten Kennenlernen anerkennend ins Gesicht gesagt wird oder man mir hinterher berichtet, dass alle Männer am Biertresen sich einig waren, wie beautiful ich doch sei. Das will ich aber gar nicht, weil mal ganz ehrlich, das stimmt einfach nicht!

Jedenfalls nicht nach unserem westlichen Schönheitsideal. Das afrikanische Casting läuft anders ab. Du hast ein breites, gebärfähiges Becken und Hüften mit kräftigen Oberschenkeln, aber dennoch eine schlanke Taille und einen auch ansonsten schlanken Körperbau? Bingo! Du bekommst ein Foto!

Hüft- und Hinternabgleich mit Joshs Schwägerin: Ausbaufähig, aber durchaus mit Potenzial

Da fließt nicht mal meine vergleichsweise vornehme Blässe oder das möchtegernblonde Haar mit in die Bewertung ein. Einerseits ist es ja eine große Erleichterung, sich um die paar Kilo hin oder her und die paar Dellen auf Halbhöhe keine Gedanken mehr machen zu müssen. Ganz im Gegenteil, zu wissen, gerade die sind geliebt, ist wunderbar! Aber ich möchte doch bitte nicht ständig daran erinnert werden! Seit ich 15 bin frage ich mich, warum mir meine Mutter ausgerechnet die Hüften vererbt hat!

Nun gut, ich lerne noch mehr als in den letzten Jahren in Berlin, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Und in Berlin läuft nun wirklich einiges Kurioses auf der Straße herum, wonach sich kein Mensch umdreht. Ich bin ja schon rebellisch-stolz darauf, am Morgen in Jogginghose und ungeschminkt zum Bäcker zu gehen. Das hätte ich in Stuttgart nie gewagt! Und nun bin ich so frei und lasse in Kenia im Mini die Hüften schwingen und scher mich nicht drum, wer das wie klumig findet. Beautiful!

Manicure: Alles was glücklich macht und direkt auf die Hüften rutscht
Helmet: Den Schmeichlern Glauben schenken