Donnerstag, 11. November 2010

Heimat, deine Kinder

Gestern habe ich mich mit zwei Freundinnen zum Abendessen getroffen. Beides Schwäbinnen, wie ich. Grund genug, sich ab und an zu treffen (neben den guten Gesprächen und dem Spaß, den wir an solchen Abenden haben – natürlich bei einem Fläschle Württemberger). Auf dem Weg dahin habe ich mir überlegt, warum man sich – gerade in der Fremde – eigentlich immer wieder mit Menschen aus der Heimat zusammenrottet. Und was heißt überhaupt „aus der Heimat“, ich bin in Berlin daheim! Stuttgart ist „bei meinen Eltern“. Berlin ist „Zuhause“. Heutzutage ist es doch so: Da wo ich bin, wo meine Freunde leben, wo ich mich wohl fühle, da bin ich daheim.

Andererseits haben wir schon im Kindergarten gesungen: „Heim, heim, heim, heim, heim, heim, heim wollen wir gehen!“ Bei so vielen heims muss ja irgendwas dran sein an der Frage, ob Heimat vielleicht doch dort zu finden ist, wo die Eltern sind, wo die geographische Herkunft ist.

Mit Joshua hatte ich auch diese Diskussion. Für ihn als Kenianer ist das ganz einfach. „Home“ ist da, wo seine Eltern gelebt haben und wo er geboren ist. Und zwar genau auf diesem Grundstück. Deswegen hat er dort auch ein einfaches Lehmhaus stehen, damit er jederzeit nach Hause kann. Und dieses würde er gerne durch ein besseres, stabileres, größeres Lehmhaus ersetzen. Denn dort sind seine Wurzeln, da gehört er hin, und damit auch seine Familie. Er muss und will nicht zwingend ständig da leben, aber es ist eben „home“. Alle seine Brüder haben dort genauso ihre Hütte und ihre Heimat. Und für die Frauen ist da daheim, wo die Männer sind.

Und selbstverständlich habe ich Joshua meine Heimat gezeigt, als er hier war. Glasklar: In dem Zusammenhang ist Heimat Ruit, die Schwäbische Alb, das Häusle im Schwarzwald und der Stuttgarter Fernsehturm. Ihm hat’s gefallen, und mir hat es gut getan, mal wieder in ganz wohlvertrauten Gefilden unterwegs zu sein.


In der Heimat: Die Teck.

Aber es ist eben so: Für mich gehört zu Heimat auch Fernweh. Ich möchte immer wieder so gerne in die Ferne, dass es mir schon weh tut. Und wenn die Zeit in der Ferne vorbei ist, ist heimkommen umso schöner.

Manicure: Fernweh
Helmet: Heimat

Kurzes PS zu "Weh und Wonne..."

Nun ist er schon wieder weg. Aber erstmal ist wichtig und schön, dass er reinkam! Joshua hat es nach Deutschland geschafft, das konnte auch hartnäckiges Kratzen am Visum, mehrfaches scharfes Vergleichen des Fotos mit der Person und nochmaliges Durchblättern sämtlicher Visumsantragsdokumente durch den Grenzbeamten nicht verhindern. Und ich war glücklich :-)


Beweisfoto vor dem Brandenburger Tor - wo sonst.

In Griechenland haben wir dann auch hautnah erlebt, warum die Schengen-Grenzer etwas nervös sind. Im Bus von Thessaloniki nach Athen wurde flugs ein Illegaler ohne Papiere festgenommen - nachdem natürlich auch Joshua als deutlich erkennbar Schwarzer nach dem Ausweis gefragt wurde. Und auf sämtlichen Flughäfen musste er als einer der wenigen seinen Pass vorzeigen. Ich hab dann immer höflich auch meinen Pass gezeigt, das hat aber niemand so recht interessieren wollen.

Manicure: ein Afrikaner in Schengen
Helmet: das Visum hält auch Kratzen und Biegen stand