Donnerstag, 26. April 2012

Und es regnet

Es regnet. Und regnet. Und regnet. Vielmehr: Es schüttet. Und schüttet und schüttet und schüttet. Vor ein paar Wochen habe ich lautstark behauptet, ich wolle Regen. Schließlich sei alles so trocken und heiß. Ich hab das nicht so gemeint. Ehrlich! Also, es kann gerne in Turkana regnen, und in Wajir, Tana River, Samburu und Garissa und all diesen fürchterlich ausgetrockneten Gegenden. Aber bitte nicht mehr in Nairobi, und nicht mehr in Ahero oder Kisumu.

Wenn es in Nairobi regnet, steht alles still. Das einzige, was fließt, sind die Sturzbäche von Wasser neben oder auf der Straße. Weil das ganze Wasser nicht weiß, wo es hin soll. Kanalisation ist hier wohl nicht so trendig. Wer kann und hat, fährt bei Regen mit dem Auto, auch wenn eigentlich kein Geld mehr für Benzin in der Haushaltskasse ist. Das Problem ist nur: Kenianische Autofahrer kommen einfach nicht klar mit Regen (etwa so wie Berliner Autofahrer mit Schnee). Schon bei den ersten Tropfen fahren sie maximal Tempo 30. Wenn es dann heftig regnet, schalten sie ihre Warnblinkanlage ein (könnte ja sein, die anderen Fahrer haben noch nichts vom Unwetter gemerkt) und kriechen nur noch. Am liebsten in der Mitte der Straße, weil sehen tun sie ja nix mehr, und da ist man mittig bestimmt am Besten aufgehoben. Auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen ist auch keine Alternative: Sammeltaxis nehmen bei Regen gerne mal bis zum Vierfachen des üblichen Fahrpreises. Angebot und Nachfrage – keiner geht gerne zu Fuß durch Regen und Matsch. Also wird der Preis erhöht, die Leute fahren ja doch mit. Meine persönliche Höchstleistung waren fünf Stunden alleine im Auto bei Regen im Stau – für eine Strecke, die sonst 20 Minuten dauert.

In Ahero gibt es zwar nicht so viele Autos, dafür verwandelt sich die komplette Landschaft rund um unser Lehmhaus in genau das: Lehm. Die „Black Cotton Soil“ ist zwar prima als Baumaterial geeignet. Aber die schwarze Erde ist auch fürchterlich klebrig und klitschig (das geht gleichzeitig). Man bleibt sowohl mit Latschen oder festen Schuhen als auch mit Vierradantrieb stecken oder rutscht fürchterlich aus. Geteert ist nur die Hauptstraße nach Kisumu und zwei Straßen rund um den Markt, auf allen anderen Straßen, Wegen und Zufahrten: Black Sticky Muddy Igitti Cotton Soil. Auf unserem Grundstück haben wir den Kampf gegen die Matsche zumindest auf etwa acht Metern gewonnen: Von der Hintertür bis zur Latrine führt jetzt ein hübsch gepflasterter, erhöhter Weg (war meine Idee, einfach genial). Den kann man auch ohne Fallgefahr gehen, wenn es dunkel ist.

Unser Weg wird gepuzzelt... vom Endergebnis gibt es noch kein Foto.  Es regnete zu stark, als ich eins machen wollte...


Strom ist nämlich das nächste Problem, auf dem Land und in der Stadt. Stundenlange Stromausfälle sind zurzeit an der Tagesordnung. Tagsüber, abends, nachts. Und irgendwann verliert jede Kerze ihre Romantik. Auch für frisch Verheiratete. Vielleicht ist das aber auch nur eine Masche der Cafés und Restaurants, die zu diesen Zeiten seltsamerweise immer recht gut besucht sind. Vor allem die mit ausreichend Steckdosen. Und wo der Strom schon mal weg ist, fällt meistens auch das Internet aus. Da hilft dann nicht mal mehr die schönste Kerze.


Notbeleuchtung in unserer Stamm-Videothek.

Manicure: Immer vor Augen halten, dass die Regenzeit kürzer als die Trockenzeit ist
Helmet: Großzügig Kerzen und Streichhölzer im Haus

Den Kindern sind der Matsch und die Riesenpfützen grade recht. Da müssen sie schon nicht mehr so weit zum Wasser holen. 

Dienstag, 17. April 2012

Die schwarzen Massai

Vor einiger Zeit haben wir eine Reise in den Süden des Landes gemacht, in das Massai-Land. Eines unserer humedica-Projekte hat uns dorthin geführt, eine Lebensmittel-Verteilung an von der Dürre betroffene Familien.

Meine ungebildete (weil nicht durch eigene Erfahrungen geprägte) Meinung über die Massai war durch die gegen Geld hüpfenden Touristen-Massais und das Hofmann-Buch „Die weiße Massai“ etwas negativ vorbelastet. Ich finde das Buch (und die Autorin, wenn ich das hier mal so offen sagen darf) einfach gnadenlos doof. Das finde ich auch heute noch, aber mein Bild der Massai ist etwas differenzierter.

Ich versuche auf unseren Reisen immer, vor allem mit den Frauen in Kontakt zu kommen. Das war mit den Massai-Frauen ein wunderbares Erlebnis! Wir haben uns erst eine ganze Weile angeguckt und angelächelt. Als das erste Baby Vertrauen zu mir gefasst hatte, war der Bann gebrochen: Wir haben gelacht, gespielt, verschiedene zumindest für mich ungewohnte Sitzweisen ausprobiert und uns mit Händen und Füßen unterhalten. Die Damen haben mir ihren Schmuck umgelegt und mir beigebracht, dass es viel schöner aussieht, wenn man seine Armreifen auf beide Handgelenke verteilt, so wie sie das tun (wobei ich das zurück in Nairobi nur noch selten mache). Sie haben versucht, mir ihr sensationelles Hüpfen beizubringen, die Grundbewegung für jeden Tanz. Das geht irgendwie vom Steiß aus und bewegt sich dann in einer eleganten Wellenbewegung durch den Körper nach oben, bis die Schultern hüpfen und die Füße gleichzeitig vom Boden abheben. Zumindest bei den Ladies war das elegant, bei mir sah es einfach nur bescheuert und zum Lachen aus. Was auch alle hemmungslos getan haben.


Es sind schöne Frauen, mit ihrem farbenfrohen Schmuck und den bunten Tüchern. Ihr Leben ist allerdings weniger schön. Massive Beschneidung von kleinen Mädchen ist noch ganz normal. Kaum eine, die beschnitten ist und schon als Kind an einen Mann versprochen, schafft den Sprung in ein besseres, zivilisiertes Leben. Kaum eine schafft eine Bildung über die Grundschule hinaus, und selbst das noch mit schwachen Noten. Was bestimmt nicht an der Intelligenz der Mädchen liegt. Zuviel anderes haben Mädchen und Frauen auf ihrem Tagesplan: Feuerholz sammeln, Wasser holen, kochen, fegen. Um die Gunst des Mannes buhlen, der noch eine bis vier weitere Frauen hat. Ziegen hüten, Schmuck anfertigen, die Grashütte ausbessern.

Über Semeyian habe ich auf der humedica-Website berichtet. 

Überhaupt die Grashütte: Ein fürchterliches Zuhause. Stockduster ist es, zu niedrig um drin stehen zu können, links eine Lederhaut als Bett über Äste gespannt, in der Mitte ein wenig Raum für die Feuerstelle, rechts wieder eine Lederhaut. Wenn da drin einer hustet, haben alle Tuberkulose. Und selbst wenn Zeit wäre für Schulaufgaben: Wo sollten die ordentlich gemacht werden?

Das Bett - entweder für alle Kinder, oder für die Erwachsenen.

Wir haben viel diskutiert auf der Rückfahrt, warum die Massai leben, wie sie leben und offensichtlich wenig Interesse an einer Weiterentwicklung haben. Man sagt ihnen nach, dass sie genauso stolz wie stur sind. Sie wollen immer noch als Viehhirten leben, aber die meisten Tiere sind seit der langen Trockenheit verhungert. Für die noch bestehenden Herden gibt es kaum Weideland, und schon gar kein Nomadendasein, da viel Land inzwischen für ein wenig schnelles Geld verkauft und vom neuen Besitzer eingezäunt wurde.

So richtig zu einem Schluss gekommen, wie das mit den Massai in den nächsten Jahrzehnten weitergehen kann, sind wir nicht. Ich würde einfach nur jedem Mädchen und jeder Frau die Privilegien (oder vielmehr Rechte) wünschen, die mir geschenkt wurden: Selbstbewusstsein, Rückhalt und Mut zum Hinfallen und wieder Aufstehen, und die Freiheit mitsamt der Möglichkeit, den eigenen Weg wählen zu dürfen.

Manicure: Hüpfen und lachen und kurz mal alles andere vergessen
Helmet: Das mit den Ohrlöchern gar nicht erst anfangen!


Dienstag, 10. April 2012

Ich glaub, ich bin im Zoo

Manchmal denke ich, ich habe hier eine Dauerkarte für den Zoo. Wobei ich offensichtlich nicht mal abends den Ausgang finde. Und leider scheine ich mich aus irgendeinem Grund hauptsächlich im Kleingetierhaus aufzuhalten. Insektarium, Terrarium, oder wie das heißt.

Von Moskitos will ich jetzt mal gar nicht reden, das ist Standard. Auch wenn es jedes Mal fürchterlich nervt, wenn eins dieser kleinen Biester doch wieder eine Ritze im hermetisch abgeriegelten Netz gefunden hat, durch die es sich durchwinden kann. Um einem dann nachts vorzugsweise um die Ohren zu surren und auf die Stirn zu stechen.

Wirklich unangenehm finde ich Kakerlaken. Die sind hier etwa so groß wie mein kleiner Finger und braun. Wir haben zwei dieser Kollegen in unserer Latrine aufm Land. Sie kommen nur abends raus, scharren geräuschvoll mit ihrem seltsamen Körper und stellen sicher, dass ich recht schnell fertig bin. Wenigstens sind sie nur zu zweit (Freunde haben dutzende!) und beschränken sich auf dieses Örtchen. Im Haus ist noch keine aufgetaucht. Da hausen Grillen, Ameisen, Käfer, Spinnen und kleine Eidechsen. Mit den meisten habe ich mich auf eine friedliche Koexistenz geeinigt. Nur wenn die Riesenameisen dann ihre fliegende Saison haben und überall ihre toten Flügel (manchmal ist auch die Ameise noch mit dran) rumliegen lassen, das nervt.

Eine Grille. Sie und ihre Freunde machen nachts mächtig Radau vorm Haus.

Meine Banda ist seit ein paar Wochen von Termiten befallen. Die haben doch glatt innerhalb von ein paar Wochen einen Pfosten halbe durchgefressen. Ihren Abfall schieben sie durch die Lehm- und Kuhdungwand kreuz und quer von links nach rechts und unten nach oben ins Freie. So dass ich jetzt überall Löcher mit kleinen Häufchen davor habe. Ich hoffe, dass das Termitengift dieses Kapitel schnell beendet.

Oben sauber abgenagt, nach unten innen mächtig abgefressen.

Vor einiger Zeit habe ich im Wohnzimmer in Nairobi ein seltsames Geräusch von der Decke gehört, irgendwo in der rechten Zimmerecke. Es hörte sich an, als ob ein Vogel sprechen gelernt hätte. Kurz darauf bewegte sich das Geräusch nach links, und wieder nach rechts. Auf einmal schaute ein Eichhörnchen über den Rand des Vorhangkastens! Auf die nach oben geworfenen Erdnüsse kam keine Reaktion. Wie bei Hänsel und Gretel habe ich dann ein paar Nüsse Richtung Fenster ausgelegt. Das Eichhörnchen spickelte zwar immer mal wieder über den Rand, aber runterkommen wollte es nicht. Als Joshua spät abends vom Deutsch-Sprachkurs ausm Goethe-Institut zurückkam, kletterte er hoch, um sich das neuste Zoomitglied anzusehen. Aber retten wollte oder konnte er es auch nicht. Am nächsten Morgen war das Eichhörnchen dann zurück im Garten (zumindest war es nicht mehr im Vorhangkasten). Dort finde ich es auch deutlich putziger zu beobachten.

Hallo?!

Die größeren Tiere, die man in der Stadt so sieht, sind Affen, Marabu-Störche, Warzenschweine und Rinder (blockieren auch gerne mal die Straße vor dem Flughafen), bei uns in der Nachbarschaft ist ein kleiner Giraffenpark, mit etwas Glück entdeckt man auf der Strecke von Nairobi nach Kisumu Zebras. Unsere Safari neulich in der Massai Mara hat uns mit Löwen, Büffeln, Straußen, Giraffen, Elefanten, Nashörnern, Geparden, Antilopen, Hyänen, Nilpferden und Krokodilen beglückt. Das sind dann die Momente, wo ich mich über meine Dauerkarte für den Zoo freue.

Eine unserer Nachbarinnen.

Manicure: Giraffen statt Kakerlaken
Helmet: Insektenkiller