Mittwoch, 17. März 2010

Auf Wiedersehen, Inshallah!



Was sagt man, wenn zwei intensive, glückliche Monate in einer völlig anderen Welt zu Ende gehen? Was sagt man sich selbst, was denen, von denen man sich verabschiedet? Wohl wissend, dass man höchstwahrscheinlich nie mehr zurück kommen wird. Aber wer weiß das schon? Also sage ich auf Wiedersehen, Inshallah, so Gott will: auf Wiedersehen.

Im Büro übergebe ich die paar offenen Themen, die noch auf meinem Tisch liegen. Eine Kollegin übernimmt die letzten Vorbereitungen für die Mitarbeiterfeier am Donnerstag. Mein Chef kümmert sich jetzt erstmal wieder alleine um die neuen Partner für die Kliniken. Den Bericht über die Februar-Aktivitäten im Camp-Kindergarten werde ich Zuhause noch überarbeiten und verschicken. Dann verabschiede ich mich von den sudanesischen Kollegen, sehr herzlich, sehr persönlich. Mein Büro-Kollege ist leider nicht da, er hat in einem Flüchtlingslager zu tun – umso mehr freue ich mich, als er mir später auf den Flughafen nachfährt, um Lebwohl zu sagen. Seine Familie (die in „Haus 1“ mit der ersten von zwei Frauen) lässt auch grüßen, die Kinder fragen, wann ich mal wieder zu Besuch komme. Hach, wohl nicht so schnell. Aber wir sehen uns wieder, Inshallah.

Noch für ein schnelles Mittagessen mit den anderen Expats ins Guesthouse. Es fällt mir schwerer als gedacht, mich von dem Leben hier, von den Menschen, von meinem Expat-Team zu verabschieden. So genau weiß ich gerade noch gar nicht, was das ist, woher das Gefühl kommt – schließlich sind zwei Monate auch nicht so lange, das Leben war recht eingeschränkt, und das Arbeiten immer wieder schwierig. Aber wir haben uns so unsere Oasen geschaffen, gerade auch als Team. Ja: Ich wäre gerne noch geblieben. So sehr ich mich auf Berlin freue, auf Familie und Freunde und ein freies Leben. Ich beschließe, einfach so zu tun, als ob ich nur für ein paar Tage nach Khartoum fahre, ein neues Visum beantragen. Also winkt das Team am Tor: Bis bald, mach’s gut in Khartoum! Komm schnell und gesund wieder! Inshallah.

Und so verabschiede ich mich von Darfur.

Manicure: Viele „Auf Wiedersehen, Inshallah!“
Helmet: Auf Zuhause freuen




Nass bis auf die Haut

Unglaublich: am Montag Abend hat es geregnet! Ach was – geschüttet hat es! Ich stand gerade draußen vor der Küche, als ich die ersten feinen Tropfen gespürt habe. Im ersten Moment dachte ich, dass die Guards mal wieder vergessen haben, die Wasserpumpe abzustellen und unser Wassertank in vier Meter Höhe so wild überläuft, dass es bis zu mir spritzt. Aber irgendwie konnte das doch nicht sein. Also bin ich nach vorne in den Garten – auch da: es tropft Wasser vom Himmel! Herrlich! Den Regen riechen, im Wind stehen, die kühlen Tropfen auf der Haut spüren. Ein Geschenk des Himmels.

Denn eigentlich kann es gar nicht sein, dass es Mitte März regnet. Es ist einfach die falsche Jahreszeit, die Regenzeit fängt erst im Juni an. Trotzdem: Nach den ersten vorsichtigen Tropfen hat es eine Stunde lang wie aus Eimern gegossen. Und dann war der Regen genauso plötzlich wieder weg, wie er gekommen war. Am andern Morgen sind noch ein paar große Pfützen in den Sandstraßen, aber der Himmel ist wieder genauso unschuldig blau wie an jedem anderen Tag.

Manicure: wie ein Kind im Regen tanzen
Helmet: ein Dach überm Kopf

Donnerstag, 11. März 2010

Kleiner, aber feiner Humor

Ich finde es immer wieder herrlich, wie humorvoll meine sudanesischen Kollegen sind. Sie verulken einen, erzählen sich lustige Geschichten und greifen alle Späße gerne auf.
Heute Mittag zum Beispiel bin ich raus, einen Fahrer organisieren. Das geht aber nicht mal eben so, nein, man wird eingeladen sich erstmal gemütlich dazu zu setzen, die halbe Büro-Truppe sitzt draußen, qualmt oder quatscht. So weit, so gut, wie in jedem deutschen Betrieb. Auf dem Tisch liegt eine sudanesische Tageszeitung. Die schnapp ich mir und schaue interessiert rein. Bis jemand sagt: He, Khadiga, das ist doch arabisch, das kannst du gar nicht lesen! - Ach...?! Ist mir gar nicht aufgefallen... Die ersten Lacher. Ich protestiere: Klar kann ich das lesen! Und fange mit ernster Miene gleich an: Gestern besuchte der Präsident die Stadt... Die nächsten Lacher! Und wie aus der Pistole geschossen ein anderer sudanesischer Kollege: Das kann doch gar nicht sein, dass das da steht, du hast den Sportteil in der Hand! - Noch mehr Lacher! ...witzig...

Dass der sudanesische Präsident in Nyala war, ist übrigens kein Witz. Allerdings haben wir nichts, aber auch rein gar nichts davon mitbekommen. Vormittags liefen ständig Meldungen über den Funk, dass allen Hilfsorganisationen dringlichst angeraten wird, alle Bewegungen (oder wie übersetzt man „movements“?) soweit wie möglich einzuschränken. Das haben wir denn auch getan, und den ganzen Tag das Büro nicht verlassen. Zum Einen haben wir von den ankommenden Kollegen schon Morgens von einem großen Aufgebot an Polizei und Militär inklusive Straßensperren gehört, zum Anderen wollten wir nicht den Studenten in die Arme laufen, die bei uns in der Ecke ihr Studi-Büro haben und gerne mal Autos mit Steinen bewerfen. Ich habe am anderen Tag versucht, irgendeine Meldung über den Staatsbesuch zu finden, aber nichts. Es war wohl eine kleine Kampagne für die Wahlen, die Anfang April statt finden sollen. Aber wenn schon über den Präsidenten kein Foto und keine Zeile aufzutreiben ist, muss ich mich zumindest nicht wundern, dass man mir das Fotografieren verbietet. Ergo: Kein Foto in diesem Blogeintrag!

Manicure: Sudanesische Tageszeitung auf arabisch lesen
Helmet: Mittagessen ins Büro bringen lassen

Dienstag, 9. März 2010

Es gibt Fleisch! Fi Lahman!

Ich mag Fleisch. Und wer Fleisch mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Schaf, Ziege, Huhn, Rind, Kamel. Rippchen, Geschnetzeltes, Flügel, Brust, Leber, Keule. Mit Knochen ausgekochte Fleischbrühe, Hackfleisch und Frittiertes.
Man sollte sich allerdings gut überlegen, ob man selbst auf den Fleischmarkt geht – wenn man so eine Kuh-Hinterhälfte samt Beinen baumeln sieht, oder die Ziegenkeulen neben den kopflosen Hühnern, das Ganze ungekühlt und von Fliegen umschwirrt in der Sonne, da braucht es schon gute Beziehungen zum eigenen Magen! Und eine gesunde Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass man genau dieses Fleisch täglich isst. Wobei, wahrscheinlich ist es gesünder als das meiste, was man in deutschen Kühlregalen so findet.

Neulich waren wir wieder mal auf dem Grillfleischmarkt am Stadtrand. Das ist eigentlich ein einziges großes Männergrillen: Robuste Steingrills, ordentliche Kohlen, ein Maschendraht drüber, und Fleisch, nichts als Fleisch darauf. Das kann man sich entweder roh vom Metzgerhaken angeln und grillen lassen, oder eben ein fertiges Stück aussuchen. Serviert wird es dann in kleine Stückchen gehackt, hier und da ein paar Knochen zum Abnagen, Brot dazu, wenn’s gut läuft etwas Salat und vielleicht Humus. Und das Ganze auf dem ewigen großen, silbernen Tellertablett, für alle zum Zugreifen.

Manicure: ein wenig Alibi-Salat zum Fleisch
Helmet: mehr Fleisch



Freitag, 5. März 2010

Wo die großen Jungs spielen

Mal wieder Freitag – Wochenende! Die Zeit fliegt dahin, ein gutes Zeichen. Wir waren die letzten Tage im humedica-Büro sehr damit beschäftigt, einen neuen Partner für die Kliniken in den Flüchtlingslagern zu finden. So wie es aussieht, waren wir erfolgreich: Die Arbeit, die humedica hier über sechs Jahre aufgebaut hat, wird von einer anderen Hilfsorganisation übernommen und weitergeführt.
Trotz viel Arbeit und mancher Nerven wegen der Sicherheitseinschränkungen und kultureller Eigenheiten hat mich heute nach einem halben freien Tag schon wieder die Langeweile und damit der Rappel gepackt. Ich muss einfach mal vor die Tür! Nur im Garten abhängen, so schön und so gemütlich der ist, seit ich darin ein Bett aufgestellt habe – das ist nichts für mich.

Also raus. Ich kann meinen kenianischen Kollegen begeistern zu einem Spaziergang mitzukommen. Mein Ziel: das ausgetrocknete Flußbett am Rand der Stadt, da will ich schon längst mal langlaufen. Auf dem Weg dorthin lädt unser Fahrer uns ein, in seinem 3-Generationen-Zuhause auf einen kleinen arabischen Kaffee reinzuschauen. Die 1-jährige Tochter seiner Schwester hat gerade „Küsschen geben“ für sich entdeckt und so bekomme ich unzählige schmatzige und dahin gehauchte Küsse auf die Wange. Wie herrlich, das tröstet mich ein wenig darüber hinweg, wie viele Kilometer meine Nichten, Neffen und Patenkinder von mir entfernt sind. Dann fahren wir weiter – und schnurstracks durchs Wadi durch und vorbei! Ich will da doch spazieren gehen! Aber das Konzept von „einfach so durch die Gegend laufen“ ist den Sudanesen eher nicht geläufig. Außerdem behauptet unser Fahrer, dass das hier zurzeit zu gefährlich sei, die Militärmilizen oder Rebellen streifen herum (meistens weiß man nicht so genau, wer wer ist). Prompt sehen wir auch eine Truppe auf Kamelen vorbereiten, traditionell gekleidet, die Waffen in bunt verzierten Halftertaschen stecken. Ein seltener Anblick, sonst fahren sie in ihren Tarnanzügen mit offenen Jeeps und großen aufgesteckten Gewehren duch die Stadt.



Wir fahren vorbei an einem Lager am Ufer des Wadi, die winzigen Hütten sind aus Pappe, Stoff und irgendwelchem übrig gebliebenen Material zusammengeschustert. Unvorstellbar, wie man hier leben kann. Zehn Minuten später landen wir in einem parkähnlichen Wald – der aus lauter Mangobäumen besteht! Musik schallt zwischen dem Grün durch, hier und da sitzen Gruppen von Männern zusammen, spielen Karten, lesen Zeitung, trinken Tee, klönen und rauchen. So verbringen die Herren also ihren freien Tag! Während ihre Frauen zuhause hinter der Mauer sitzen. Wir schlendern ein wenig herum, aber wirklich spazieren gehen kann man hier nicht, und, wie unser Fahrer mit einem Grinsen bemerkt, mit mir schon gar nicht. Zu weiß, zu weiblich. Also rumpeln wir wieder ins Guesthouse zurück – aber die zwei Stunden Abwechslung waren großartig!



Manicure: sowas ähnliches wie spazieren gehen
Helmet: ein Fahrer, der sich gut auskennt