Sonntag, 21. Juli 2013

Mein kleines Äffchen


In Kenia wird ein Kind von der Großfamilie aufgezogen. Besser gesagt vom ganzen Dorf. Oder auch von der Stadt. Das erlebe ich in Kisumu immer wieder, wenn ich mit Liam unterwegs bin. Jeder, aber auch jeder, egal ob Mann, Frau, Postangestellte, Bedienung, Sicherheitspersonal fühlt sich berufen und befugt, mir Tipps zu geben, wie ich das Kind zu halten, anzuziehen oder zu stillen habe.

Gestern sprach ein Tuk-Tuk-Fahrer aus, was wahrscheinlich alle denken, wenn sie Liam bei mir im Tragetuch sehen: „You are carrying the baby monkey-style!“ Ja, genau, ich trage mein Baby wie eine Schimpansen-Mama vor der Brust, und Liam liebt es! Meistens schläft er nach anderthalb Minuten ein. Das entspannt das Unterwegssein, und außerdem habe ich so die Hände frei. Kinderwägen gibt es in Kisumu praktisch nicht. Wir hatten einen von einer Freundin geerbt (aus den Achtzigern mit Bauernhof-Schäfchen-Küken-Motiv, eigentlich sehr passend). Der ist uns aber noch im Haus vor dem ersten Außeneinsatz zusammengebrochen. Gutes Timing, sonst hätten wir nach dem ersten Schlagloch Baby plus Kinderwagen tragen müssen. Hier ist es üblich, dass die Frauen ihre Kinder die ersten Monate im Arm halten. Wirklich, die laufen so durch die Gegend. Total umständlich und außerdem unbequem. Aber so gehört es sich, bis sie später in einem simplen Tuch auf dem Rücken getragen werden. Deswegen kann und darf es nicht sein, dass Liam von Anfang im Tuch! und vor der Brust! getragen wurde. Ganz große Augen gibt es, wenn ich Liam aus dem Tuch schäle und in den Maxicosi verfrachte. Wieso ich ihn nicht einfach halte, das sei doch viel besser?

Affenmama mit Jungem

Was auch gar nicht geht, ist, dass Liam den Temperaturen angepasst tagsüber nur einen kurzärmligen Body trägt. Man ist hier der Meinung, dass Babys warm eingepackt werden müssen. Das ist ja grundsätzlich richtig. Aber müssen es bei 30 Grad im Schatten lange Kleidung, ein Schneeanzug (kein Witz), eine Wollmütze plus eine warme Decke sein? Und dazu die Körpertemperatur des Tragenden? Wenn ich entsetzt angeschaut werde ob meines halbnackten Kindes erkläre ich immer, dass der Bub deutsch ist. Deutsche frieren nicht unter der afrikanischen Sonne. Ob ihnen schon mal aufgefallen ist, dass ihr Kind Schweißperlen auf der Stirn hat? Meine Vermutung ist ja, dass sie die Kinder ins Hitze-Delirium befördern, um sie ruhig zu halten.

Und dann das Thema stillen. Wann auch immer Liam „mäh“ macht, kommt von irgendwo ein „Nyonyo, nyonyo!“ Das heißt Busen oder stillen oder beides. Selbst die Straßenverkäuferin mit dem Bananenkorb auf dem Kopf konnte sich im Vorbeilaufen neulich den Kommentar nicht verkneifen. Ich habe mich erstaunlich schnell daran gewöhnt, die Milchbar immer und überall zu öffnen. Ehrlich, ohne Baby wäre es mir nie eingefallen, in Anwesenheit von Joshuas Kumpels meinen Busen auszupacken. Aber dank Baby und der allgegenwärtigen nyonyo-Akzeptanz ist das nun möglich. Und Liam dankt es mir mit schönen Speckröllchen an Armen und Beinen. 

Liam sorgt schon selbst für die notwendige Privatsphäre beim Stillen

Meistens freue ich mich über all die kurzen Gespräche hier und da. Denn was ich beschrieben habe, hat ja einen schönen Hintergrund: Die Kenianer lieben Kinder. Sie sind ganz verzückt, wenn sie so kleine Zwerge sehen, und jeder will das Baby streicheln und mal halten (selbst die Putzfrau vor der Toilette im Supermarkt. Da hab ich dann aber doch dankend abgewunken). Ich war ja bisher schon recht bekannt in der Stadt, aber seit ich meinen Obama Jnr dabei habe (kenianischer Vater + weiße Mutter = Obama), werde ich überall noch freundlicher gegrüßt und zuvorkommend behandelt. Was heißt da „ich“ – Liam! Machen wir uns nichts vor, mein kleines Äffchen ist der Held.

Manicure: Kinderfreundliche Menschen
Helmet: Manche Tipps einfach lächelnd zur Kenntnis nehmen


Obama-Massage

Liam wird von den Fingerspitzen aus dunkler :-)