Montag, 24. September 2012

Da war noch was (Wichtiges)


Mit meinem letzten Blog-Eintrag habe ich einen großen zeitlichen Sprung gemacht, vom Juni in den September. Und habe mal eben sechs wundervolle Wochen in Deutschland ausgelassen. Das geht so nicht! Wenigstens ein paar Sätze will ich doch noch davon erzählen.

Da unser humedica-Job Ende Juli planmäßig nach zwölf Monaten aufgehört hat, haben Josh und ich beschlossen, uns mal eine richtig schöne (= lange) Zeit mit meinen Eltern und Freunden zu gönnen. Und genau das war es dann auch: Eine fantastische Zeit mit Eltern, Familie, Freunden!
Einzige Trübsal: Auch sechs lange Wochen können zu kurz sein.

Tja, und jetzt weiß ich wieder nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen und wo aufhören. Wahrscheinlich habe ich deswegen bisher nicht dazu geschrieben. Und weil ich zwischen all meinem Gemüse hier die Lieben zuhause doch ganz schön vermisse.

Vielleicht konzentriere ich mich einfach auf eines: Unsere schwäbische Hochzeits-Dank-Feier. Wir haben einen Gottesdienst in Ruit gefeiert, in der Kirche, in der ich getauft und konfirmiert wurde. Das hätte ich mir bei meinem Weggang aus Ruit auch nicht träumen lassen, dass ich dort einmal heirate! Eigentlich und offiziell und überhaupt waren wir ja schon verheiratet (genau genommen schon zwei- oder dreimal, Standesamt, Luo-traditionell, Kirche). Aber Dietmar, ein guter Freund aus Berlin, der den Gottesdienst für uns gehalten hat, hat uns dazu ermutigt, nochmals „Ja“ zu sagen. Denn das könnte und sollte man sowieso jeden Tag und immer wieder aufs Neue tun; und so ist es auch gut, die Beziehung vor den Freunden und der Gemeinde Zuhause zu bestätigen. Und ja, es war genau das Richtige. In Weiß (welche Braut hat schon das Privileg, ihr Brautkleid ein zweites Mal zu tragen?!) und mit Küssen! Außerdem habe ich mich mit meinem coolen Halfi-Musikteam getraut, das Lied "You raise me up" für Joshua zu singen. Das hätte ich in Nairobi bei der Hochzeit niemals gewagt, denn da wäre ich garantiert in Tränen ausgebrochen und hätte keine gerade Note rausgebracht!

Kurz und gut, es war einfach ein wirklich schöner Tag (puh, den Ausdruck "wirklich schöner Tag" habe ich nun über alle Hochzeits-Blog-Einträge reichlich überstrapaziert). Für mich war es unbeschreiblich wertvoll zu sehen, wie viele Menschen Anteil nehmen an unserem Leben. Was für ein Privileg, Freunde zu haben! Freunde aus der Jugend, aus der Familie, aus dem Ex-Kollegenkreis, aus der Gemeinde, vom Studium, von Urlauben. Und so war auch dieser Tag zwar intensiv und lang, aber zu kurz. Bei weitem nicht genug Zeit mit und für die Menschen, die ich von Kenia aus nicht mehr so einfach sehen kann. Leider gibt es kaum Fotos: Alle waren so mit quatschen und wohl fühlen beschäftigt, dass die Kameras größtenteils in der Tasche blieben.

Wedding Reloaded!

Mit unseren sonstigen Ausflügen langweile ich jetzt hier niemand. Nur für die Romantisch-Neugierigen: Die Flitterwoche haben wir in Barcelona verbracht. 

Flitternd in Barcelona

Ansonsten waren wir einfach viel bei meinen Eltern und haben entspannt miteinander vor uns hingelebt – mit einem unbezahlbaren Bonus: Meine Schwester war mit ihren vier Mädels auch da, und so hat Joshua neue Fans gewonnen und ich habe meine Freundschaft mit allen fünf gefestigt. Und Miri, meine enge langjährigste Freundin, lebt auch gleich um die Ecke und wir konnten mal wieder so tun, als ob wir eine ganz alltägliche, lokale Freundschaft hätten.

Wo Josh war, war auch Maddie nie weit.

Ach Mann. Kann nicht mal bitte jemand einen Kilometer-Reduzierer erfinden? Ich kauf den!

Manicure: Öfter mal „Ja“ sagen
Helmet: Freundschaften, die Kilometer in Luft auflösen (Stuttgart-Kisumu mit dem Auto: 12.469 km)

Mittwoch, 12. September 2012

Die mit dem grünen Daumen


Ich sitze im Tante-Emma-Laden meines Ogola-Neffen im Marktflecken Ahero und finde es prima, zurück in Kenia zu sein. Back home. The other home. Mein Mann stapft irgendwo auf den Farmen rum und prüft, wie es dem Mais und dem Zuckerrohr nach sechs Wochen Abwesenheit geht. Das dauert natürlich länger als gedacht, aber als pfiffige Agribusiness-Manager-Wife (was sich viel besser anhört als Bauersfrau) habe ich in der Zwischenzeit Strom und Asyl gefunden. Vielleicht lasse ich mich auch von einem Moped nach Hause fahren, wenn es zu ausgedehnt wird. Dummerweise habe ich den Hausschlüssel bei Joshua im Auto gelassen. Aber ich könnte ja schon mal anfangen, die Balken meiner Banda mit Sisalseilen zu umwickeln – mein nächstes Projekt.


Hier arbeitet mein Neffe - viel zu kaufen gibt es zurzeit nicht.


Unser Haus und Hof wird richtig hübsch. Es hat immer mal wieder ein wenig geregnet in den letzten Wochen, und die Natur spielt mit vollem Orchester. Die Rosen tun so, als ob ein Rosenzüchter sie mit Expertise und viel gutem Zureden gepflegt hätte, die Maracujas tragen ersten Früchte, und die Bougainvillen wachsen wie Unkraut. Und Sommer ist ja sowieso fast immer, also genieße ich das Draußen sein.

Ganz nebenbei (oder auch dank des prima Klimas und unseres Gärtners, je nach Sichtweise) sind wir praktisch zu Selbstversorgern geworden: Spinat, Süßkartoffeln, Kürbis und Guaven sind reif zur Ernte. Die zweite Runde Tomaten brauchen noch ein paar Tage, das hier so beliebte spinatartige Gemüse Sukuma Wiki wurde bereits über die letzten Wochen von der verwandten Nachbarschaft komplett abgeerntet. Joshua hat sogar ein paar Maisstängel zur Aufzucht, die Kolben landen dann in einem Monat auf den Grill. Aus Deutschland habe ich Salatsamen mitgebracht, die kommen jetzt mit Chilis und Paprika in den Boden. Ach ja, und Zwiebeln natürlich. Von einem Bekannten haben wir Zitronengras geschenkt bekommen. Heidaschnitz, hat mich das gefreut! Das wollte ich schon lange haben! Zum Einen soll es Moskitos verjagen (mein Plan ist, es komplett um das Haus, die Banda und die Latrine anzupflanzen – dann soll noch ein Moskito kommen!), zum Anderen schmeckt es einfach lecker im Tee. Was noch ein paar Jahre braucht, sehr zu meinem Leidwesen, sind die Bananen, Orangen, Avocados, Mangos, Baumerdbeeren (ich weiß leider auch nicht was das ist, gefunden beim Streifzug durch die hiesigen Baumschulen). Die Cashewnüsse, die wir auf unserer letzten Projektreise in der Küstenregion bekommen haben, sind noch nicht mal im Boden.


Spinat und dahinter auf dem Gestell hängt die Passionsfrucht.
Erste eigene Ernte aus dem Küchengarten. 
Fast schon übertrieben fand ich allerdings, als Joshua nachts aufgestanden ist, um Regenwasser zum Trinken aufzufangen – wie gesund das ist, weiß ich auch nicht, aber bisher hat es zumindest meinem Magen nicht geschadet. Insgesamt ist es bestimmt besser, als was hier aus der Leitung kommt (was ich auch nicht trinke).

Ich weigere mich allerdings immer noch, Hühner anzuschaffen. Schlimm genug, dass die Nachbarhennen hier ständig durchtappen. Gestern habe ich so ein albernes Huhn sogar bei uns im Schlafzimmer entdeckt! Ich kaufe meine Landeier lieber auf der Straße, auf dem Weg von Nairobi nach Kisumu. Da kommen wir ja auch immer wieder vorbei. Diese Eier sind die allerleckersten mit dem allergelbsten Eigelb, das man je gesehen hat. Das war dann auch unser erstes Abendessen nach der Ankunft im Lehmhaus: Spinat aus dem Garten, Landeier von der Straße und Reis, der noch im Vorrat zu finden war. Das schmeckt!

Die Eier werden einem direkt ins Auto gereicht. Manchmal mehr, als einem lieb ist!

Manicure: Gärtnern ohne Dreck unter den Fingernägeln
Helmet: Eier von der Straße kaufen