Mittwoch, 8. Juni 2016

Gut angekommen. Glücklich.

Facebook hat mich freundlicherweise am Morgen daran erinnert, dass ich heute vor fünf Jahren in Kenia angekommen bin. In dem Sinne ist facebook ja ein nettes Tagebuch. „08. Juni 2011: Gut angekommen. Glücklich.“

Fünf Jahre!!! Ich habe mal nachgelesen, wie das so war, vor fünf Jahren (http://manicureandhelmet.blogspot.co.ke/2011/06/berlin-ruit-nairobi.html). Und flugs ein Vergleichsfoto aus der gleichen Perspektive gemacht von unserem Haus in Mamboleo, in dem wir nach Zwischenstationen in Nairobi, in Boya (unser Lehmhaus auf dem Dorf) und in Kisumu wieder wohnen. Wichtigster Unterschied: Da wohnen jetzt zwei Cappuccino-Kinder mit uns!


Würde ich das wieder machen, mit zwei Reisetaschen in ein neues Leben aufbrechen? Ja. Ich bin um so vieles reicher, trotz allem, was ich zurück gelassen oder hier verloren habe. Kenia ist meine Heimat geworden, ich fühle mich daheim in Kisumu. Ich habe mich an das Leben hier gewöhnt, auch wenn ich mich immer noch über manches wundere. Teilweise auch immer noch über das Gleiche wie vor fünf Jahren. Zum Beispiel die vielen Menschen auf der Straße, zu jeder Zeit. Die Langsamkeit und die Umständlichkeit vieler Menschen. Die Unehrlichkeit. Aber dann auch wieder die Fröhlichkeit, die Hilfsbereitschaft, wie kinderlieb alle sind. 

Aber ich habe auch gelernt, mir meine kleinen Oasen zu schaffen, um die fremden Dinge, oder was mir schwer fällt hier, besser wegstecken zu können. Ich trinke nur noch den guten (leider auch teuren) kenianischen Kaffee und tausche mich mit meinen internationalen Freundinnen über dies und das aus. Ich weigere mich, zähes Fleisch zu essen und schon wieder Fanta zu trinken. Und ich schäme mich, dass ich immer noch kein ordentliches Kisuaheli spreche und freue mich darüber, mich auf dem Markt und bei Familientreffen mit meinen paar Brocken Kisuaheli und Luo wenigstens etwas sicherer zu fühlen. Aber das muss schon noch besser werden. 

So heimlich träume ich davon, irgendwann mal ein paar Jahre in Deutschland zu wohnen. Keine Ahnung, wann und wie das möglich sein wird. Und wenn ich so in meinem Alltag unterwegs bin, habe ich auch gar nicht das Bedürfnis, von hier weg zu gehen. Aber es wäre schön, nicht zuletzt für die Kinder, damit sie auch diesen Teil ihrer Herkunft besser kennen lernen und verstehen. Jetzt habe ich das hier aufgeschrieben - und bin gespannt, wo ich bin, wenn ich diesen Blogbeitrag in fünf Jahren wieder lese. Wie schon vor fünf Jahren gehe ich mit einer Gewissheit: "Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bereitet habe." (2. Mose 23,20)

Meine drei wichtigsten und liebsten Gründe, warum ich mein Leben in Kenia nicht missen wollte.

Manicure: Auch heute noch ein leckeres Essen mit Tilapia
Helmet: Leider auch immer noch die Typen, die Weiße mit „Mzungu, how are you?“ von der Seite ansprechen. Als ob sie noch nie Weiße in der Stadt gesehen hätten.

Montag, 6. Juni 2016

Montagsdemonstrationen in Kisumu

Die letzten Montage waren gar nicht schön in Kisumu. Nächstes Jahr im August sind Wahlen in Kenia und die Opposition behauptet, dass das Wahlkomitee voreingenommen ist (sprich: in der Vergangenheit Wahlbetrug unterstützt hat und dies wieder tun wird). Die wöchentlichen politischen Demonstrationen kommen mit brennenden Reifen und Steinen auf der einen Seite und Polizei mit Tränengas und scharfer Munition auf der anderen Seite daher. Um jegliche Sorge gleich zu zerstreuen: Wir sind in Sicherheit, wir wohnen außerhalb der Stadt, und da die Demonstrationen angekündigt sind, bleiben wir an diesen Tagen einfach Zuhause. Nur einmal, vor drei Wochen, am ersten Montag, als die Proteste unerwartet kamen, konnte ich Liam wegen Tränengasalarm erst verspätet vom Kindergarten abholen. Dass die Protestmärsche frühmorgens auf unserer Fahrstrecke begonnen haben, habe ich erst hinterher erfahren. Wir sind mal wieder viel zu spät Richtung Kindergarten losgekommen – an diesem Morgen: Gott sei Dank.

Ganz kurz zum Hintergrund: Kisumu ist die Heimat der Oppositionsführer, insofern ist die Stadt immer ein Brennpunkt bei parteipolitischen Themen. Die Wahlen in Kenia werden von einem Wahlkomitee, dem „Independant Electoral and Boundaries Comittee“ (Unabhängiges Wahl- und Grenzkomitee) durchgeführt. Die Opposition fordert faire Wahlen und konkret die Absetzung des Wahlkomitees. Die Regierung lehnt dies ab. Die Stimmung ist in der Bevölkerung immer schnell gereizt, und leider gibt es viele Trittbrettfahrer, die ihrer allgemeinen Frustration, Langeweile und angestauter Aggression bei so einer Gelegenheit Luft machen. 

Heute sind die Demonstranten von vier verschiedenen Orten aus in das Stadtzentrum marschiert, wo überall schon Polizei bereitstand. Die Polizei setzte Tränengas und Schusswaffen ein, um die Proteste zu zerstreuen. Zwei Menschen wurden getötet, mehrere verletzt. Aus gegebenem Anlass hatten die meisten Geschäfte geschlossen; leider kommt es bei so einer chaotischen Gelegenheit oft zu Plünderungen.





(Die Fotos sind von meiner Freundin Emily, die heute mit der Kamera losgezogen ist - aber ganz auf Nummer Sicher, wie sie mir versprochen hat - und auf ihrem Blog auch berichtet: https://thepainteddonkey.xyz)

Wir hoffen und beten, dass das nicht bis August 2017 so weitergeht. Für den Moment sorgen wir nur dafür, dass wir Montags nicht in die Stadt müssen und halten uns alle Möglichkeiten offen, während der Wahlen nicht im Land zu sein. Außerdem sind wir in der Stadt gut untereinander vernetzt und halten einander auf verschiedenen Kanälen auf dem Laufenden, was gerade wo passiert. 

Manicure: Den Tag zwangsweise zuhause genießen
Helmet: Vorräte anlegen

Freitag, 3. Juni 2016

Ich bin fünf! Wo ist mein Kuchen?

Letzte Woche hatte Liam Geburtstag! Er ist natürlich nicht fünf geworden, auch wenn er das steif und fest immer wieder behauptet hat. Drei Jahre alt ist der kleine Räuber geworden. Und hat das Konzept von Geburtstag schon voll durchschaut. Seine erste Frage, als wir ihm nach dem Aufwachen gratuliert haben, war: „Wo ist mein Kuchen?“ Die Frage hat er unermüdlich wiederholt, bis er den Kuchen vor sich hatte. Zum Frühstück. Warten bis nachmittags wäre unerträglich gewesen!

Nachmittags gab es dann Milchshake statt Kuchen.

Liams Geburtstag fiel zufällig in unseren Urlaub in Uganda. Wir haben dort eine schöne Woche mit Freunden aus Stuttgart verbracht, deren Sohn eine Uganderin geheiratet hat. Siehe nächster Blogbeitrag!

Die Geburtstagsrunde in Uganda...
...und im Kindergarten.

Ich bin immer wieder baff, wie viel Persönlichkeit in so einem dreijährigen Knirps schon steckt. Liam liebt Scherze, über die ich mich meistens scheckig lachen kann (auch wenn es zuweilen typische Jungsscherze sind, wie ein lauter Pups, ein schiefer grinsender Blick in meine Richtung, ob ich es auch gehört habe, und dann absichtlich noch zwei-drei hinterher). Er hat eine Energie, die mich wortwörtlich immer wieder umhaut. Seinen Bruder und mich verteidigt er bis aufs Letzte („Matis ist MEIN Bruder!!! Neeeeiin, das ist MEINE Mama!“) – was ihn natürlich in anderen Situationen nicht davon abhält, Matis eine zu hauen oder ihm Spielzeug wegzunehmen. Aber die beiden spielen und bubeln schon nett zusammen, soweit das in dem Alter geht. Liam liebt nach wie vor Bücher, singt den halben Tag vor sich hin oder haut auf seine Trommel, geht absolut gerne in den Kindergarten und hat dort kürzlich gelernt, alleine im Stehen zu pinkeln (über den Rest des langwierigen, mühsamen Töpfchentrainings schweige ich mich aus). Außerdem legt er großen Wert darauf, alles „alleine“ zu machen. Selber. Genau so wie er sich das überlegt hat. Und seine Trotzphase scheint noch lange nicht zu Ende zu sein :-) Er redet wie ein Buch und antwortet gerne auch immer mal mit dem genauen Gegenteil von dem, was ich ihm gerade gesagt habe („Liam, jetzt ist Schlafenszeit.“ – „Mama, jetzt ist nicht Schlafenszeit.“). Liam ist ein bisschen klein für sein Alter und ich weigere mich nach wie vor, seine Locken zu schneiden. Sind doch zu cool, oder?

Es macht Spaß, Mama (m)eines Sohnes zu sein. Ich danke Gott für dieses Privileg und freue mich auf die Abenteuer, die dieses Jahr auf uns warten. Behüt uns Gott! 

Manicure: Mit meinem kleinen Lausbub kuscheln
Helmet: Die Trotzphase geht vorbei. Irgendwann. Doch, bestimmt.