Sonntag, 31. Januar 2010

Büro, Büro

Sonntag Morgen, die neue Arbeitswoche beginnt. Nach einem Instant-Kaffee (puh... suche noch nach echtem Kaffee) marschiere ich in langen Klamotten und unter einem Kopftuch versteckt die drei Minuten zu unserem Büro, gemeinsam mit einer kenianischen Expat-Kollegin. Alleine gehen ist aus Sicherheitsgründen nicht erwünscht – noch besser wäre es per Auto, aber darauf habe ich nun wirklich keine Lust. Die Leute, die wir unterwegs sehen, machen auch erstmal keinen allzu gefährlichen Eindruck. Ist ja auch schon am frühen Morgen zu heiß für Stress.
Die ersten zwei Stunden im Nyala-Office (war bisher an Arbeitstagen nur in Kass) verbringe ich mit DSL-Stick beantragen, über Kabel stolpern, Kollegen kennen lernen (Namen sind furchtbar kompliziert und gleichzeitig einfach: mit Mohammed, Achmed oder Yusuf liegt man nie falsch, das hat fast jeder irgendwo im Namen), die Klimaanlage in Gang bringen (erfolglos – statt dessen rattert dann ein Deckenventilator mit Rasenmäher-Lautstärke), meinen Computer aufpeppen, und schließlich auch einer nach meinem Verständnis wenigstens halbwegs produktiven Arbeit, die ich aus Daimler-Zeiten kenne (wenn auch nicht sonderlich schätze): Budgets erstellen, diskutieren, überarbeiten und erklären. Nicht mal die Budgetlinien unterscheiden sich: Personal, Reisekosten, Büromaterial, Marketing. Einen Generator hatte ich bei Daimler zwar nicht auf der Kostenstelle, genauso wenig wie Inlands-Reisegenehmigungen der lokalen Behörden, ohne die man keinen Fuß aus der Stadt setzen darf.
Um ein wenig Prosa-Ausgleich zu bekommen, schreibe ich meine kleine Geschichte für einen Geldgeber zu Ende und starte die Planungen für eine Eröffnungsfeier der neuen Gebäudeteile in der Kass-Klinik. Das ist doch schon eher mein Terrain! Frage mich nur, wo ich hier eine Event-Agentur herbekommen soll... wo es schon keine Hotline für Computerprobleme gibt ;-) Eine Idee für ein Event-Highlight habe ich schon: Ein Eselrennen!

Manicure: Lächeln und Lachen mit den sudanesischen Kollegen
Helmet: im 2-er Pack und mit Walkie-Talkie ins Büro laufen





Humedica-Büro mit den Keine-Waffen-Fahrzeugen

Dienstag, 26. Januar 2010

Fashion Week Darfur II: Frau trägt Tuch

Wenn ich gestern noch dachte, ein Kopftuch entspricht dem hiesigen Fashion-Style und damit bin ich gut gerüstet, wurde ich heute eines besseren belehrt: Mindestens 5 Meter Stoff müssen es sein, rangeknotet und rumgeschlungen, über Kopf, Schultern, und alles was einem noch so dazwischen kommt. Auf dem Laufsteg ein Horror, man hat keine Beinfreiheit, und das rutscht und fällt ohne Unterlass. Außerdem sehe ich damit – im Gegenzug zu den sudanesichen Damen – nicht angezogen, sondern einfach nur eingewickelt aus. Aber tamam, tamam (gut, gut), alle haben sich riesig gefreut und uns lautstark und immer wieder verkündet, dass wir nun doch endlich gut aussehen!





Anlass für das Aufhübschen war eine Feier, die das Krankenhaus-Personal zum Abschied von Janika ausgerichtet hat. Stunden über Stunden Reden, sudanesische Musik und Tanzen und irgendwann endlich auch wirklich leckeres Essen - mit den Fingern, alle aus derselben Schüssel, und viel viel Fleisch.
Als besonderes Highlight haben die Kollegen Janika dann noch einen Wunsch erfüllt, der ihnen völlig absurd vorgekommen sein muss: ein Eselrennen! Das hat Kass noch nicht gesehen! Mit internationaler Besetzung: Janika gegen einen kenianischen Kollegen, dann ich gegen einen sudanesischen Arzt – und ich habe glatt gewonnen!
Für die Ralley die Dorfstraße runter und wieder zurück durften wir glücklicherweise kurzzeitig wieder in unsere Hosen steigen...



Manicure: Sudanesische Wickel
Helmet: dito

Montag, 25. Januar 2010

Fashion Week Darfur: Minnie Mouse trägt Gelb




Auf dem Rollfeld des Nyala Airport bläst ein wilder Wind, der mir ständig das Tuch vom Kopf weht. Dabei hat der Pilot noch nicht mal die Rotoren des Hubschraubers gestartet! Keine Chance: Mein guter Wille, Kopftuch zu tragen ist erstmal dahin. Wir identifizieren noch einmal unser Gepäck, und dann klettern wir in den Hubschrauber des WFP, der uns nach Kass bringen soll.
Eine halbe Stunde dauert der Flug, ich trage schicke gelbe Kopfhörer gegen den Rotoren-Lärm und gucke aus dem Fenster. Wüste, soweit das Auge reicht. Plattes Land, rötlicher Sand, ab und zu ein ausgetrocknetes Wadi, an dem sich Büsche entlangschlängeln. Richtung Kass, das 80 km nordwestlich von Nyala liegt, ragen Berge aus dem Boden. Genauso kahl, steinig und staubig – dahingeworfen wie von einem Kind beim Spielen im Sandkasten. Ab und zu sieht man eine Ansammlung von Hütten. Rund, mit einem Strohdach, und immer umzäunt. Wahrscheinlich als Schutz, nicht zuletzt für die Frauen, die nicht von anderen Männern als den eigenen gesehen werden sollen. Was ich von hier oben nicht sehe, mir aber vorstelle: Auch vor diesen Hütten stehen Tonkrüge, die mit Wasser gefüllt sind. Der Hausherr ist ein guter Gastgeber und Moslem, der den Vorbeikommenden einen Becher Wasser als freundliche Gabe bereit stellt.

In Kass treffe ich Janika, ein herzliches und richtig schönes Wiedersehen! Wir kennen uns vom humedica-Koordinatorentraining, sie ist als Project Coordinator in Kass. Gerade wurde hier der Anbau für die Geburtsstation der humedica-Klinik abgeschlossen. Wir diskutieren, wieviele Hebammen für den 24h-Service eingestellt werden sollen (erinnert an die Kapazitätenplanung im 1. Semester BWL) und besprechen, was wie wo noch einzuräumen und fertig zu stellen ist. Jetzt fahre ich gleich mal rüber, und schaue, ob die Böden so von Farbklecksen und Baudreck gesäubert wurden, wie sich das Deutsche für neue Räume vorstellen... ;-)

Manicure: Schnack mit Janika
Helmet: Gelbe Mickey Maus-Ohren

Samstag, 23. Januar 2010

A manicure and a cute helmet – los geht’s

Heute ist Samstag, der zweite (und letzte) Tag des Wochenendes im muslimischen Sudan. Ich sitze im humedica-Gästehaus in Nyala/Süddarfur, das die nächsten zwei Monate mein Zuhause sein wird. Unter den großen, Schatten spendenden Bäumen im Innenhof stehen bequeme Sessel – der ideale Ort, um meinen Blog zu beginnen.

Warum „a manicure and a cute helmet“?
Ich bin ein glücklicher Mensch. Ja, das Leben ist manchmal hart, aber man kann es sich ja nett machen. Alleine oder mit den wunderbaren Menschen, die man so kennt. Oder indem man einfach auf die vielen schönen kleinen Dinge achtet, die einem passieren – „manicures“. Und ich finde, jeder sollte ein bisschen auf sich und seine Seele aufpassen, sich selbst und manche Dinge nicht so wichtig nehmen, nicht immer alles und jeden zu nah heran lassen – „a helmet“. Da ich ein Mädchen bin, muss der Helm eben „cute“ sein. Und da diese beiden Dinge im Krisengebiet Süddarfur, wo ich diesen Blog zunächst schreibe, ziemlich (überlebens-) notwendig sind, ist "A manicure and a cute helmet" eben der Blogtitel geworden.

Was tue ich hier eigentlich? Ich bin mit humedica hier, einer Hilfsorganisation, die auf Katastropheneinsätze und Projekte in Krisengebieten spezialisiert ist (www.humedica.org). Es ist mein zweiter Einsatz als Koordinatorin im Ausland, September-Dezember 2008 war ich nach den Hurricanes und Überschwemmungen in Haiti. Humedica ist seit 2004 hier in Nyala/Süddarfur, hat geholfen, Camps aufzubauen und die medizinische Hilfe für die Flüchtlinge aus dem Süden zu koordinieren. Die Arbeit für Hilfsorganisationen ist aus verschiedenen Gründen - dazu gehört auch die Sicherheit - nicht einfach. Ich werde mich deswegen darauf beschränken, persönliche Geschichten zu erzählen. Ab morgen – oder übermorgen! Denn jetzt will ich noch die Security Guidelines lesen und dann ab ins Bett. Morgen früh fliege ich mit dem Helikopter (Straße ist zu gefährlich) ins 80 km entfernte Kass, dem zweiten Standort von humedica in Süddarfur.

Manicure: Süßer Schwarztee mit frischer Minze
(not so cute) Helmet: Stacheldrahtrolle über der Mauer des Wohnhauses (gegen unerwünschte Eindringlinge), Pif-Paf (Spray gegen unerwünschte Kakerlaken)