Samstag, 27. Oktober 2012

Ein besonderes Erbe


Vor ein paar Wochen ist in der Dorf-Nachbarschaft ein Cousin gestorben, Daniel, Ehemann und Vater von drei kleinen Kindern. Dan war ein ausgesprochen netter Mensch, sehr stark und fleißig, er hat uns bei unserem Lehmhausbau geholfen. Traurig, wie er von einem Tag auf den anderen wahrscheinlich wegen einer Lebensmittelvergiftung und mangelndem Bewusstsein, wie mit manchen Krankheiten umzugehen ist, gestorben ist.

Sein Tod war Anlass für Joshua und mich, wieder über Beerdigungen zu diskutieren. Ein Thema, das ich hier im Luo-Land schon immer sehr irritierend finde. Es fängt an mit der Organisation, die ist Großfamiliensache. Da kommen nach einem Todesfall gut und gerne 20 Mitglieder der erweiterten Familie in einem Komitee zusammen, das sich mindestens fünfmal trifft und mit allen alles diskutiert, vom Essen über die Stühle, Musiksystem, Transport der Leiche, bis zum Zeitpunkt der Beerdigung. Die engsten Angehörigen haben dabei nicht unbedingt mehr Mitspracherecht als alle anderen, vor allem, wenn sie selbst keine Finanzen haben, um die Beerdigung auszurichten. Es wird ein Vorsitzender bestimmt, ein Schriftführer und ein Schatzmeister. Thema Finanzen: Das Komitee legt fest, wer aus der Großfamilie wie viel zu bezahlen hat. Keine Widerrede, keine Ausflucht. Für Dan’s Beerdigung wurden von allen Männer 1.000 Schilling (etwa 9 Euro – viel Geld für die Leute) und von den Frauen 200 Schilling kassiert. Obendrauf wurden in dem Fall 2 kg Maismehl oder anderes Getreide fällig, zur Zubereitung des Leichenschmauses.

Zwischen Schuhen und Werkzeug kann man am Straßenrand Särge und Leichenhemden kaufen -  
- in allen Farben und Ausführungen, gerne mit Guckdeckel.

Zu einer Beerdigung reist Hinz und Kunz an. Leider ist mein Eindruck, von anderen (Kenianern) bestätigt, dass viele nur wegen dem kostenlosen fleischhaltigen Mittagessen kommen. Und vielleicht um der noch größeren Langeweile zuhause zu entfliehen. Die engeren Familienmitglieder bis zu Cousins und Leute aus der Kirchengemeinde halten sich bei Dauermusikgedudel in voller Lautstärke die letzten Tage und Nächte bis zur Beerdigung im Haus der Familie auf. Das soll den Trauernden helfen, ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Eigentlich ein netter Gedanke, ich weiß trotzdem nicht, ob ich das wollte.

Wie alles in Kenia dauert so eine Beerdigung. Unter sechs Stunden läuft gar nichts, die meisten Leute sitzen sehr viel länger. Zu viele fühlen sich berufen eine Rede zu halten, die dutzende bis hunderte Trauergäste müssen verpflegt werden, und dann gibt es ja auch noch die Beerdigungszeremonie an sich. Die ist aber verhältnismäßig schnell vorüber. Traditionell werden die Menschen auf ihrem Land bestattet, meistens irgendwo am seitlichen oder hinteren Rand des Grundstücks. Grabsteine gibt es in aller Regel nicht.

Das Grab wird auf dem Familiengelände von Angehörigen ausgehoben.
Ein frisches Grab - Geld für Blumenkränze hat man nicht übrig.

Das Grab von Joshua's Vater, direkt neben unserem Grundstück.

Als vor einem halben Jahr der jüngere Bruder von Dan im Fluss ertrank, haben wir einen Anruf erhalten. Es war klar: Wir müssen da jetzt hin, die Leiche auf unseren Pick-Up laden und ins Leichenhaus bringen. Es war Nacht, keiner außer uns in der Gegend hat ein Fahrzeug, und ein Taxi oder ähnliches zu organisieren hätte viel zu lange gedauert – und wer hätte das bezahlen wollen? Das Leichenhaus selbst hat kein Fahrzeug. Einen Bestatter, wie wir das kennen, gibt es aufm Dorf nicht (in der Stadt haben sie so passende Namen wie „Exodus“ oder „Montezuma“). Also sind wir eben los. Ich fand das seltsam bis unheimlich.

Noch eine Besonderheit: Bei den Luos werden die Ehefrauen „vererbt“. Ein Bruder oder sonstiger Verwandter heiratet die Witwe. Da Polygamie nach wie vor erlaubt ist (wenn auch in der jüngeren Generation nicht mehr üblich), ist es auch kein Problem, falls der Bruder schon eine Frau hat. Vor langer Zeit hatte das bestimmt mal einen sozial-ökonomischen Grund: Wie sonst sollten die Frau und Kinder versorgt werden? Heute ist das fragwürdig. Und wenn mir einer daherkommt – was durchaus passiert – dass er mich mal erben wollen würde, dem sage ich klipp und klar, dass das überhaupt nicht in Frage kommt und wenn, muss er sich hinten anstellen: Da waren schon andere vor ihm da. Eine Weiße ist wohl das begehrteste Erbe überhaupt. Wenn die Landeier wüssten, worauf sie sich da einlassen!

Manicure: Wissen, dass das Beste für uns sowieso nach dem Tod kommt
Helmet: Vererbt werden ist nicht