In Kenia wird
ein Kind von der Großfamilie aufgezogen. Besser gesagt vom ganzen Dorf. Oder
auch von der Stadt. Das erlebe ich in Kisumu immer wieder, wenn ich mit Liam
unterwegs bin. Jeder, aber auch jeder, egal ob Mann, Frau, Postangestellte, Bedienung,
Sicherheitspersonal fühlt sich berufen und befugt, mir Tipps zu geben, wie ich
das Kind zu halten, anzuziehen oder zu stillen habe.
Gestern sprach
ein Tuk-Tuk-Fahrer aus, was wahrscheinlich alle denken, wenn sie Liam bei mir im
Tragetuch sehen: „You are carrying the baby monkey-style!“ Ja, genau, ich trage
mein Baby wie eine Schimpansen-Mama vor der Brust, und Liam liebt es! Meistens
schläft er nach anderthalb Minuten ein. Das entspannt das Unterwegssein, und außerdem
habe ich so die Hände frei. Kinderwägen gibt es in Kisumu praktisch nicht. Wir
hatten einen von einer Freundin geerbt (aus den Achtzigern mit
Bauernhof-Schäfchen-Küken-Motiv, eigentlich sehr passend). Der ist uns aber
noch im Haus vor dem ersten Außeneinsatz zusammengebrochen. Gutes Timing, sonst
hätten wir nach dem ersten Schlagloch Baby plus Kinderwagen tragen müssen. Hier
ist es üblich, dass die Frauen ihre Kinder die ersten Monate im Arm halten. Wirklich,
die laufen so durch die Gegend. Total umständlich und außerdem unbequem. Aber
so gehört es sich, bis sie später in einem simplen Tuch auf dem Rücken getragen
werden. Deswegen kann und darf es nicht sein, dass Liam von Anfang im Tuch! und
vor der Brust! getragen wurde. Ganz große Augen gibt es, wenn ich Liam aus dem
Tuch schäle und in den Maxicosi verfrachte. Wieso ich ihn nicht einfach halte,
das sei doch viel besser?
Affenmama mit Jungem |
Was auch gar
nicht geht, ist, dass Liam den Temperaturen angepasst tagsüber nur einen
kurzärmligen Body trägt. Man ist hier der Meinung, dass Babys warm eingepackt
werden müssen. Das ist ja grundsätzlich richtig. Aber müssen es bei 30 Grad im
Schatten lange Kleidung, ein Schneeanzug (kein Witz), eine Wollmütze plus eine
warme Decke sein? Und dazu die Körpertemperatur des Tragenden? Wenn ich entsetzt
angeschaut werde ob meines halbnackten Kindes erkläre ich immer, dass der Bub
deutsch ist. Deutsche frieren nicht unter der afrikanischen Sonne. Ob ihnen
schon mal aufgefallen ist, dass ihr Kind Schweißperlen auf der Stirn hat? Meine
Vermutung ist ja, dass sie die Kinder ins Hitze-Delirium befördern, um sie
ruhig zu halten.
Und dann das
Thema stillen. Wann auch immer Liam „mäh“ macht, kommt von irgendwo ein
„Nyonyo, nyonyo!“ Das heißt Busen oder stillen oder beides. Selbst die
Straßenverkäuferin mit dem Bananenkorb auf dem Kopf konnte sich im Vorbeilaufen
neulich den Kommentar nicht verkneifen. Ich habe mich erstaunlich schnell daran
gewöhnt, die Milchbar immer und überall zu öffnen. Ehrlich, ohne Baby wäre es
mir nie eingefallen, in Anwesenheit von Joshuas Kumpels meinen Busen
auszupacken. Aber dank Baby und der allgegenwärtigen nyonyo-Akzeptanz ist das
nun möglich. Und Liam dankt es mir mit schönen Speckröllchen an Armen und Beinen.
Liam sorgt schon selbst für die notwendige Privatsphäre beim Stillen |
Meistens freue ich mich über all die kurzen Gespräche hier und da. Denn was ich beschrieben habe, hat ja einen schönen Hintergrund: Die Kenianer lieben Kinder. Sie sind ganz
verzückt, wenn sie so kleine Zwerge sehen, und jeder will das Baby streicheln und mal
halten (selbst die Putzfrau vor der Toilette im Supermarkt. Da hab ich dann
aber doch dankend abgewunken). Ich war ja bisher schon recht bekannt in der
Stadt, aber seit ich meinen Obama Jnr dabei habe (kenianischer Vater + weiße
Mutter = Obama), werde ich überall noch freundlicher gegrüßt und zuvorkommend
behandelt. Was heißt da „ich“ – Liam! Machen wir uns nichts vor, mein kleines
Äffchen ist der Held.
Manicure:
Kinderfreundliche Menschen
Helmet: Manche
Tipps einfach lächelnd zur Kenntnis nehmen
Liam wird von den Fingerspitzen aus dunkler :-) |
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