Und wenn ich
morgen aufwache, war alles nur ein Traum. Die Handys liegen auf dem Tisch, die
Spiegelreflexkamera ruht im Schrank, meine Handtasche hängt über ihrem
Lieblingsstuhl und Joshua’s Computer steht wie immer auf dem Wohnzimmertisch im
Weg. Die Platzwunde an meiner Stirn ist einfach nicht da. Wenn wir losgehen,
packe ich Liam’s Wickeltasche mit Stoffwindeln und Lieblingsspielzeug.
Das hat leider
nicht geklappt. Ich taste nach meiner Stirn, und da ist eine ordentliche
Schwellung. Alle unsere Wertsachen und die nicht so wertvollen, aber sehr
liebgewonnenen Dinge sind weg. Wir sind ausgeraubt worden. Wie im Film, zwei
Typen auf einem Motorrad mit vorgehaltener Knarre. Gegen 21 Uhr sind wir von
einem Besuch bei unserer Familie auf dem Land zurückgekommen. Wir mussten kurz
mit dem Auto anhalten, um von unserer Sicherheitsfirma den dort hinterlegten Hausschlüssel
entgegenzunehmen. Die Firma hat ihr Büro in unserer Straße, zwei Häuser weiter.
Und dann geht es los mit den tausend „wenns“, die in meinem Kopf herumschwirren.
Wenn wir den Schlüssel gehabt hätten (hätten sie uns womöglich am Haus
erwischt, was noch böser hätte ausgehen können). Wenn wir, wie eigentlich
immer, wachsamer gewesen wären bei Motorrädern und Fahrzeugen um uns herum.
Wenn ich einfach alles rausgegeben hätte (ich war so dumm – dummdumm! Wirklich,
ich weiß es aus Trainings und Gesprächen besser – an meiner Spiegelreflex
festhalten zu wollen. Krach, hat mir einer den Pistolenknauf über den Kopf
gezogen). Wenn ich nicht ausgerechnet an dem Tag ausnahmsweise die Kamera dabei
gehabt hätte. Wenn ich meine Handtasche beim Kindersitz auf den Boden gestellt
hätte, wo man sie nicht sieht. Wenn ich fix reagiert hätte und irgendwas nach
hinten in den Kofferraum geworfen hätte (den öffnen sie meist nicht). Wenn
wenigstens nicht alles in der Handtasche gewesen wäre. Wenn Joshua seinen
Computer mit Foto und Dokumenten nicht mitgenommen hätte. Wenn der Security
Guard nicht Muffensausen bekommen hätte und davongerannt wäre. Wennwennwenn.
Aber ganz
bewusst sage ich: egal. Denn wir sind heil geblieben. Freunde haben mich in der
Nacht liebevoll aufgenommen und versorgt, während Joshua zur Polizei ist.
Andere Freunde haben uns dann mit zwei Fahrzeugen nach Hause eskortiert. Am
anderen Tag ist ein Strom an Mitgefühl und Hilfe über uns hinweggeschwappt.
Besuche, Anrufe, Emails, Facebook. Das hält bis heute, eine Woche später, an, und tut unglaublich gut.
Was auch anhält, sind meine Schockmomente: Ich sehe Liam, der Gott sei Dank nur
einen Schrecken bekommen hat, an den er sich nicht erinnern wird, und fange an
zu heulen. Ich schließe panisch alle Türen im Auto ab, wenn Joshua kurz
aussteigt und so die Verriegelung löst. Ich gehe keinen Schritt zu Fuß, und
gucke misstrauisch jedem Motorrad hinterher (und davon gibt es hier viele). Ich
komme mir manchmal immer noch vor wie im Film – und, mal nachschauen, vielleicht
hängt meine Handtasche ja doch wieder am Stuhl?
Wie oft und wie
lange wir in den letzten Tagen bei der Polizei waren, ist unsäglich. Trotzdem
wird da nichts gehen. Meist stecken Polizisten mit den Kleinkriminellen unter
einer Decke, leihen ihnen sogar für ein Taschengeld ihre Waffen aus. Der
Officer, der unseren Tatbestand aufnahm, sitzt ohne Computer an einem Tisch mit
lila Plastiktischdecke (samt Zitronen-Trauben-Dekor) in einem Raum, der nach
Urin stinkt. Genau gegenüber ist die Übergangszelle für Gefangene, die dort in
Eimer pinkeln, und dieser Duft weht ständig herein. Was will man da schon
erwarten.
In all dem ist
Gott unendlich gut zu uns. Wir haben Familie und Freunde, die uns zur Seite
stehen. Mein Herz kommt zur Ruhe, ich schlafe nachts gut. Ich finde Trost in
Liedern, die ich Liam vorsinge: Ein kleiner Spatz zur Erde fällt und Gott
entgeht das nicht... wenn er die kleinen Dinge liebt, wie sehr liebt er dann
mich. Jemand hat einen Teil unserer Dokumente gefunden und abgegeben: Ich habe
Bankkarten, Personalausweis, Führerschein und etlichen Papierkrimskrams wieder.
Auf alles andere verzichten wir nun erstmal.
Manicure: Freunde haben, wenn man sie am nötigsten braucht
Helmet: Mein
Herz nicht an Dinge hängen
Liebe Katja, einerseits tut es mir Leid, dass ihr sowas erlebt habt. Aber es beruhigt mich, dass Gott so liebvoll bei euch ist. Durch Freunde und Familie. Und dass Er euch bewahrt. Das Gefühl kenne ich, die Kriminalität in Rio ist nicht viel anders, die Polizei macht auch oft mit. Aber Gott ist bei uns, und es ist schön dass ihr das erkennt und fühlt. Ganz liebe Grüße, Jane
AntwortenLöschenach mann, das tut mir echt so leid, das zu lessen. ein wahrlich unschoenes erlebnis. bin aber froh, dass ihr nicht noch schlimmer zu schaden gekommen seid. wuensche dir und deinen jungs wieder erholsame naechte, das zurueckgewinnen von ein wenig gesunder sorglosigkeit und dass du dich auch weiterhin von got (und guten menschen um dich rum) getroestet, unterstuetzt und gesegnet fuehlen darfst.
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