Freitag, 22. März 2013

Verwählt


Kenia hat gewählt. Oder sich verwählt?

Die gute Nachricht: Die Präsidentschaftswahlen verliefen im ganzen Land recht friedlich. Was die Medien im Ausland rausgepickt haben, waren Ausnahmen, bei denen ich mir nicht mal sicher bin, ob sie wirklich mit den Wahlkonflikten zusammen hingen. Überall standen die Leute stundenlang geduldig Schlange, um ihre Stimme abzugeben. Manche von vier Uhr früh, bis sie dann gegen Mittag endlich an der Reihe waren! Joshua stand in seinem Heimatdorf und kam mit einem dunkelrot gefärbten Fingernagel wieder – ein Zeichen, dass er seine Stimme abgegeben hat. Eine interessante Mischung aus traditionellem und modernem Prozedere. Was mal geklappt hat und mal nicht. Das neue, superhochtechnologische System hatte so seine Tücken, viele Stimmen landeten in den falschen pastellfarbenen Boxen, es gab Unklarheit, was nun gezählt wird und was nicht und die Übertragung ins Zentralregister hat nicht immer geklappt. Wir mussten geduldig eine Woche warten, bis das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde. In dieser Woche war es teilweise fast unheimlich ruhig in Kisumu. Viele Ausländer waren vorsichtshalber weg gefahren, und auch die Kenianer hatten sich in großer Zahl in ihre Heimatdörfer zurückgezogen. Raila Odinga, der Kandidat der Luo, die hier am Viktoriasee leben, hat verloren. Das wurde überall sehr ruhig zur Kenntnis genommen, mal abgesehen von der fast greifbaren Trübsal, die meinen Mann und wohl 99% aller Luos vorübergehend ergriffen hat. Ein paar Grüppchen an den üblichen Brennpunkten in Kisumu haben es zwar zum Anlass genommen, ihrem allgemeinen Lebensfrust Luft zu machen. Aber entweder dank oder trotz der hohen Polizei- und Militärpräsenz (die die jungen randalierfreudigen Männer manchmal durch ihre bloße Anwesenheit noch mehr provozieren) gab es deutlich weniger Krawalle als an jedem 1. Mai in Berlin. Wir konnten uns jederzeit entspannt frei bewegen. Und ich habe nun einen großen Vorrat an lange haltbaren Lebensmitteln und anderem Alltagsbedarf im Haus. Auch praktisch.   

Die schlechte Nachricht: Ich möchte mir nicht anmaßen, den besten Kandidaten für das Wohl dieses Landes zu kennen. Es ist nicht mal zwei Jahre her, dass ich nach Kenia kam und angefangen habe, mich mit der hiesigen Politik zu beschäftigten (was sich übrigens nicht vermeiden lässt – die Kenianer lieben es, über Politik zu schwadronieren). In diesem Fall wäre ich einfach nur für das offensichtlich kleinere Übel gewesen. Aber hier gewinnt der mit der absoluten Mehrheit, und das waren in diesem Fall 50,07 Prozent. Etwa 8.000 Stimmen haben Uhuru Kenyatta über die 50-Prozent-Marke gelupft – und er hat gewonnen. Somit haben wir nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bald einen Präsidenten, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Anstiftung zum Mord, Vertreibung und Raub während der Wahlen im Jahr 2007 angeklagt ist. Samt seinem designierten Vize. Aber noch ist er nicht als Präsident vereidigt, und noch ist sein Prozess nicht gemacht. Interessanterweise ziehen sich die Zeugen in diesem Prozess gerade einer nach dem anderen zurück. Wieso leiden die nur alle akut unter Gedächtnisschwund und behaupten nun, sich an nichts mehr zu erinnern und von nichts zu wissen? Und wieso wählen die Menschen einen Kandidaten, einfach weil er zu ihrer ethnischen Gruppe oder ihrem Volksstamm gehört? Denn das ist offensichtlich passiert. Im Übrigen auf beiden Seiten. Raila Odinga, der knapp Unterlegene auch schon bei der letzten Wahl, ist nun erstmal vor den Obersten Gerichtshof gezogen mit der Klage, dass die Stimmenauszählung nicht korrekt gewesen sei und er der eigentliche Gewinner wäre. Was wiederum die Gegenseite zu bösen Kommentaren veranlasste, er könne einfach nicht verlieren und die ganze Wahl hätte in sein Ressort als Prime Minister gehört, von daher könne er sich nun auch nicht beschweren. Uns bleibt wieder nichts anderes übrig als zu warten, nun auf die Richtsprüche der verschiedenen Gerichte.

Das ist natürlich alles viel komplizierter, als ich hier so verkürzt darstelle. Wie sich das alles langfristig auswirkt, kann ich sowieso nicht abschätzen. Wahrscheinlich wird es sich erstmal auf den Alltag unseres kleinen Lebens gar nicht auswirken. Aber es hat, natürlich, das ganze Land in Atem gehalten. Und man macht sich eben so seine Gedanken.

Manicure: All die Leckereien aus den Vorratskisten essen
Helmet: Ab und zu einfach nicht drüber nachdenken

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