Kenia hat gewählt. Oder sich verwählt?
Die gute
Nachricht: Die Präsidentschaftswahlen verliefen im ganzen Land recht friedlich.
Was die Medien im Ausland rausgepickt haben, waren Ausnahmen, bei denen ich mir
nicht mal sicher bin, ob sie wirklich mit den Wahlkonflikten zusammen hingen.
Überall standen die Leute stundenlang geduldig Schlange, um ihre Stimme
abzugeben. Manche von vier Uhr früh, bis sie dann gegen Mittag endlich an der
Reihe waren! Joshua stand in seinem Heimatdorf und kam mit einem dunkelrot
gefärbten Fingernagel wieder – ein Zeichen, dass er seine Stimme abgegeben hat.
Eine interessante Mischung aus traditionellem und modernem Prozedere. Was mal
geklappt hat und mal nicht. Das neue, superhochtechnologische System hatte so seine
Tücken, viele Stimmen landeten in den falschen pastellfarbenen Boxen, es gab
Unklarheit, was nun gezählt wird und was nicht und die Übertragung ins
Zentralregister hat nicht immer geklappt. Wir mussten geduldig eine Woche
warten, bis das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde. In dieser Woche war es teilweise
fast unheimlich ruhig in Kisumu. Viele Ausländer waren vorsichtshalber weg
gefahren, und auch die Kenianer hatten sich in großer Zahl in ihre Heimatdörfer
zurückgezogen. Raila Odinga, der Kandidat der Luo, die hier am Viktoriasee
leben, hat verloren. Das wurde überall sehr ruhig zur Kenntnis genommen, mal
abgesehen von der fast greifbaren Trübsal, die meinen Mann und wohl 99% aller
Luos vorübergehend ergriffen hat. Ein paar Grüppchen an den üblichen Brennpunkten
in Kisumu haben es zwar zum Anlass genommen, ihrem allgemeinen Lebensfrust Luft
zu machen. Aber entweder dank oder trotz der hohen Polizei- und Militärpräsenz
(die die jungen randalierfreudigen Männer manchmal durch ihre bloße Anwesenheit
noch mehr provozieren) gab es deutlich weniger Krawalle als an jedem 1. Mai in
Berlin. Wir konnten uns jederzeit entspannt frei bewegen. Und ich habe nun
einen großen Vorrat an lange haltbaren Lebensmitteln und anderem Alltagsbedarf
im Haus. Auch praktisch.
Die
schlechte Nachricht: Ich möchte mir nicht anmaßen, den besten Kandidaten für
das Wohl dieses Landes zu kennen. Es ist nicht mal zwei Jahre her, dass ich
nach Kenia kam und angefangen habe, mich mit der hiesigen Politik zu
beschäftigten (was sich übrigens nicht vermeiden lässt – die Kenianer lieben
es, über Politik zu schwadronieren). In diesem Fall wäre ich einfach nur für
das offensichtlich kleinere Übel gewesen. Aber hier gewinnt der mit der
absoluten Mehrheit, und das waren in diesem Fall 50,07 Prozent. Etwa 8.000
Stimmen haben Uhuru Kenyatta über die 50-Prozent-Marke gelupft – und er hat gewonnen.
Somit haben wir nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bald einen
Präsidenten, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Anstiftung zum
Mord, Vertreibung und Raub während der Wahlen im Jahr 2007 angeklagt ist. Samt
seinem designierten Vize. Aber noch ist er nicht als Präsident vereidigt, und
noch ist sein Prozess nicht gemacht. Interessanterweise ziehen sich die Zeugen
in diesem Prozess gerade einer nach dem anderen zurück. Wieso leiden die nur
alle akut unter Gedächtnisschwund und behaupten nun, sich an nichts mehr zu
erinnern und von nichts zu wissen? Und wieso wählen die Menschen einen Kandidaten,
einfach weil er zu ihrer ethnischen Gruppe oder ihrem Volksstamm gehört? Denn
das ist offensichtlich passiert. Im Übrigen auf beiden Seiten. Raila Odinga,
der knapp Unterlegene auch schon bei der letzten Wahl, ist nun erstmal vor den
Obersten Gerichtshof gezogen mit der Klage, dass die Stimmenauszählung nicht
korrekt gewesen sei und er der eigentliche Gewinner wäre. Was wiederum die
Gegenseite zu bösen Kommentaren veranlasste, er könne einfach nicht verlieren
und die ganze Wahl hätte in sein Ressort als Prime Minister gehört, von daher
könne er sich nun auch nicht beschweren. Uns bleibt wieder nichts anderes übrig
als zu warten, nun auf die Richtsprüche der verschiedenen Gerichte.
Das ist
natürlich alles viel komplizierter, als ich hier so verkürzt darstelle. Wie
sich das alles langfristig auswirkt, kann ich sowieso nicht abschätzen. Wahrscheinlich
wird es sich erstmal auf den Alltag unseres kleinen Lebens gar nicht auswirken.
Aber es hat, natürlich, das ganze Land in Atem gehalten. Und man macht sich
eben so seine Gedanken.
Manicure:
All die Leckereien aus den Vorratskisten essen
Helmet: Ab
und zu einfach nicht drüber nachdenken
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