Hier war vielleicht was los heute.
Brennende Autoreifen, Straßenblockaden, Menschenaufläufe, bewaffnetes Militär. Unser Dorf
Ahero hat es damit bis in die nationalen Nachrichten geschafft. Gut, dass ich
den größten Teil nicht mitbekommen habe. Ich habe einen fürsorglichen Mann, der
mich irgendwann in Kisumu anrief, ich solle mal schön dableiben, bis er mich
wieder anruft mit der Info, dass die Luft rein sein. Also habe ich mir eine
Pizza bestellt und abgewartet...
Am Donnerstag waren hier die
sogennanten Party Primaries, das sind lokale Wahlen im ganzen Land, vor der
nationalen Wahl am 04. März. Seit Wochen gab es überall nur noch Kampagnen,
alle Politiker gaben ihr Bestes, um sich die Gunst der Wähler zu sichern. Vom
Partymobil bis zum Wohnzimmergespräch mit großspurigen Wahlversprechen, und
immer wieder Bargeld an alle, die schlicht anwesend waren bei den
Zusammenkünften. Woanders würde man das „Stimmen kaufen“ nennen. Anscheinend
gab es das sogar bis an die Wahllokale. Genau diese aber, die Wahllokale, haben
in Ahero am Donnerstag nie aufgemacht. Denn – die Stimmbögen und Wahlurnen
haben es nicht bis dahin geschafft! Wieso? Weiß kein Mensch, oder kann sich
jeder denken. Am Samstag kamen sie dann endlich in einem privaten Fahrzeug, die
Leute standen stundenlang Schlange um zu wählen. Bis ihnen jemand sagte, dass
ihre Stimme nun für ungültig erklärt würde, da sie diese ja nicht pünktlich
abgegeben hätten. Und irgendein Gremium hätte bestimmt, dass der Bruder des
jetzigen Premierministers als Gewinner der entsprechenden Partei in der Region
gesetzt würde, und die Schwester für ein anderes Partei-Amt. Zufall?!
Ein kleines Dorf-Kampagnen-Mobil. Aber immer dabei: Große Lautsprecher für viel Wumms! |
Schon etwas schicker. Aber es ging noch größer! |
Wahlwerbung ist überall... |
Es ist jedenfalls bitter für die
anderen Kandidaten. Alle hatten ihren Funken Hoffnung auf Macht und Reichtum,
und haben zum Teil ihr letztes Hemd dafür gegeben. Es kommt immer wieder vor,
dass Menschen sich privat ruinieren, um in der Politik mitspielen zu können.
Erst am Dienstag noch rief ein Cousin bei Joshua an, er bräuchte dringend Geld,
jetzt sofort, da er mit seinen potenziellen Wählern zusammen säße und die
würden nun vor dem Nachhausegehen mit einem kleinen Handgeld rechnen, so wie er
mit ihrer Stimme. Und er sei nach wochenlangem Wahlkampf pleite. Ob wir ihm
Geld geben könnten? Nein, könnten wir nicht.
Für die Wahlen im März verheißt das
nichts Gutes. Bisher dachten wir, dass es Randale wie 2007/08 nicht wieder
geben würde. Inzwischen sind wir nicht mehr sicher. Wenn sich die Menschen
schon untereinander, in der selben Partei und im selben Volksstamm bekämpfen,
was heißt das erst auf nationaler Ebene mit all ihren Parteien und Stämmen. Vor
allem hier, im Luoland, wo die Menschen aufgrund der Geschichte unbedingt der
Meinung sind, dass der nächste Präsident ein Luo sein muss.
Wir haben jetzt erstmal eine Liste
angefangen mit Dingen, die wir für den Ernstfall bevorraten werden. Reis,
Kartoffeln, H-Milch, Klopapier, Telefonguthaben, Kerzen. Und tausend andere
Dinge. Im Laufe der Woche wird fix nochmals Spinat und anderes schnell
wachsendes Gemüse im Garten gesät. Und dann schließen wir uns so lange wie nötig in
unserem Lehmhaus ein, wo wir sicher sein sollten. Solange wir nicht nach Ahero
selbst oder nach Kisumu müssen, sondern nur übers Feld beim Nachbarn Tomaten
und ein Huhn kaufen, wird das okay sein. Es geht den Randalierern nicht um
Überfälle, zumindest nicht unter den Landsleuten. Sondern um Chaosmache, Ärger
und Frustration in Kämpfen auf der Straße rauslassen.
...Als dann heute Nachmittag gegen fünf
der Anruf kam, ich könnte nach Hause fahren, war ich doch froh. Auch in manchen Gegenden von Kisumu kam es zu Straßenschlachten, wie ich von Freunden per sms hörte. Aber ich war nah genug am Ortsausgang Richtung Ahero. Ich musste mich
zwar noch an brennenden Autoreifen vorbeischlängeln, habe tunlichst alle Autofenster
zugelassen und bin flott an allen Menschengruppen mit mehr als einer Handvoll
Personen vorbeigefahren. Aber ich konnte nach Hause. Ich hatte mir
vorsichtshalber schon einen Platz zum Schlafen bei einer Freundin in einer ruhigen Ecke Kisumus gesichert.
Manicure: Auch
Schokolade bevorraten
Helmet: Schön sitzen bleiben
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