Montag, 18. Dezember 2023

Fünf Monate Rückschau

Da bin ich nun selber kurz erschrocken, als ich in meinen Blog geschaut und festgestellt habe, dass der letzte Post fast ein halbes Jahr her ist. Aber es ist Advent, unser Alltag ist endlich entspannter und ich lasse mich von nichts mehr aus der Ruhe bringen. Die Kinder haben seit Anfang Dezember Ferien – was natürlich den Zustand „Ruhe“ gleich wieder relativiert. Die ersten Tage war die Aufregung über den Adventskalender so groß, dass die Jungs fast noch früher als zur Schulzeit aufgestanden sind. Das hat sich dann zum Glück etwas gelegt. Nun haben aber die beiden Großen jeden Morgen Ferienfußballtraining, und ich fahre in der Zeit mit Noel zur Bücherei, wo er mit einer sehr netten Bibliothekarin Lesen und Schreiben übt, da ist er im Vergleich zu den Kids in seiner Klasse weit hinterher. Das Thema Schule ist aber eine andere Geschichte, die erzähle ich später...

Noel hat immer Spaß mit Miss Nancy! 

Also ein kleiner Rückblick: Kurztrip im August, dann Schulstart im britischen Lehrsystem, Noels Geburtstag im September, Matis Geburtstag im Oktober, Besuch von Stephan, Albert und Alice Ende Oktober, Freunde-Wochenende im November. Fröhliches Scrollen!

 

Kurze Auszeit 

In den zwei Wochen Ferien, die uns mit den unterschiedlichen Schulkalendern zwischen alter Schule und neuer Schule blieben, sind wir vier Tage in den Kakamega Regenwald gefahren. Das ist nur eine gute Stunde von uns weg und man kann dort wunderbar wandern. Wir durften im Haus von Freunden wohnen und haben zwei schöne Touren gemacht. Unzählbar viele Schmetterlinge in allen Farben, ein aufregender Wasserfall, ein riesengroßer Baum, Perlhühner und viel mehr gab es da zu entdecken. Die kurze Auszeit tat uns sehr gut! 


Keine Sorge, das ist nur die abgestreifte Haut einer Schlange...

 






Schulwechsel

Die Jungs sind alles in allem gut angekommen in der Kisumu Junior Academy. Freunde da zu haben ist einfach super! Es war aber wie erwartet ein harter Wechsel, was den Lehrplan angeht. Noel ist im Vergleich zu seiner Klasse weit hinterher, er ist in „Year 1“, und da können alle schon lesen und schreiben. Das demotiviert ihn sehr, und da er sowieso lieber rumläuft als in der Klasse sitzt, haben wir die ersten Wochen erstmal geübt, stundenweise und immer länger in der Klasse zu bleiben. Das klappt jetzt besser, aber immer noch nicht mit allen Lehrer*innen. Noel marschiert dann los und setzt sich zu irgendeinem*r Freund*in einer älteren Klasse an den Tisch... er hat auch selbstständig beschlossen und mit der Lehrerin vereinbart, dass er in die Parallelklasse will, weil seine Klasse ihm zu laut war. Immerhin weiß er, was ihm guttut! 

Matis (Year 4) nimmt den Wechsel am leichtesten, er ist fix im Schreiben und macht sich nichts draus, wenn er was nicht weiß. Er fragt dann oder auch nicht und macht weiter mit dem, was er kann. Für Liam (Year 6) ist es schwer. Die Lücken, die er vom kenianischen System mitbringt, sind einfach groß, ganz viel Stoff in Mathe, Englisch, Französisch hat er noch nie gemacht. Und da er sehr langsam schreibt, kommt er meist nicht hinterher mit allem, was von der Tafel abzuschreiben ist. Das ist leider auch in der „internationalen Schule“ noch reichlich altmodisch, da wird abgeschrieben, was das Zeug hält und fleißig auswendig gelernt. Und die Menge an Hausaufgaben lässt auch mich mit den Ohren schlackern, dabei kommen wir ja frühestens gegen 16:30 Uhr nach Hause (und verlassen zehn nach 7 Uhr das Haus, um 07:30 in der Schule zu sein). Auch altmodisch sind die pädagogischen Methoden... da wird noch an den Ohren gezogen, in den Arm oder die Wange gekniffen, gekniet, gegen die Wand gestanden, mit Nadel piksen gedroht und ähnliches. Ich saß deswegen schon mehrere Male beim Rektor, der sehr nett und aufgeschlossen ist, aber auch etwas hilflos scheint. Er hat mich dann eingeladen, ein Vortragsgespräch mit allen Lehrer*innen zu halten, wo ich über „Positive Discipline“ (Kinder mit positiver Verstärkung statt (körperlicher) Bestrafung, aber durchaus mit Konsequenzen für schlechtes Verhalten erziehen) geredet und diskutiert habe. Leider herrscht hier oft noch der Glaube vor, dass „afrikanische Kinder geschlagen werden müssen“, damit sie lernen und gehorchen. Es gibt genug Familien, die das absolut in Ordnung finden und die Lehrer’innen dazu ermutigen, und die Lehrer*innen kennen es von Zuhause auch nicht anders. Da sind wir mindestens 60 Jahre im Vergleich zu Deutschland zurück. Ich könnte dazu noch sehr viel schreiben, weil es mich natürlich sehr bewegt – wen es interessiert, sprich mich gerne darauf an!


Das obligatorische 1. Schultag-Foto


Noel wurde 6! 

Und hat seit neustem kurze Haare! (Am Geburtstag im September noch nicht.) Damit sieht er gleich ein paar Jahre älter aus; ehrlich gesagt habe ich kurz gedacht, er wäre Matis, als er vom Friseur nach Hause kam. Nun habe ich definitiv keine Kleinkinder, sondern nur noch Kerle im Haus. Er benimmt sich auch jeden Tag mehr wie ein junger Wilder... hat keine Angst, mit seinen großen Brüdern einen Kampf anzufangen, erzählt genauso viele und ausführliche Geschichten, hat eine eigene Meinung zu allem. Gleichzeitig ist er, wie die beiden andern auch, jederzeit zum Kuscheln aufgelegt. Sein Deutsch ist nach wie vor ein totales Kauderwelsch – aber er gibt sein Bestes, und das zählt! Wir haben es endlich geschafft, die Fahrräder (mal wieder, halten nicht lange auf den holprigen Straßen) zu reparieren, und wo Noel noch vor einem Jahr Bammel hatte und es nicht mal probieren wollte, ist er nun einfach aufgestiegen und losgefahren. Jetzt kriegen wir ihn kaum mehr runter von seinem Rädle, bei jeder Gelegenheit dreht er eine Runde. Zeigt mal wieder, dass Kinder die Dinge zu ihrer Zeit schon lernen. 




Und Matis wurde 8! 

Er träumt davon, ein berühmter Fußballer zu werden. Jeden Samstag Vormittag und Sonntag Nachmittag geht’s zum Stadion bei uns in Mamboleo, wo sie mit einem Verein trainieren, und jetzt in den Ferien jeden Morgen. Darum spart er auch eisern auf eine PS irgendwas mit FiFa was-weiß-ich, um dann auch noch am Fernseher Fußball spielen zu können. Seit neustem meint er, am Morgen Kaffee zu brauchen, weil er die aufgeschäumte Milch so lecker findet. Ich habe ihm natürlich gerne beigebracht, wie man die große Espressomaschine bedient, schließlich lasse ich mir gerne ab und zu einen Cappuccino bringen. Er bekommt dann ein paar Tropfen aus dem bereits einmal durchgelaufenen Espressosatz oder koffeinfrei – was seiner Begeisterung keinen Abbruch tut. Matis ist auch sonst weiterhin mein begeisterter Küchenhelfer, der sich auch selber mal ein Omelett macht, wenn der Hunger zu groß und die Mama-Küche bereits geschlossen hat. 




Der wahre Profi kann auch barfuß Fußball spielen! :-)

Besuch aus Deutschland

Das absolute Highlight im letzten halben Jahr - vielmehr im ganzen Jahr! - war ganz klar der Besuch von meinem Bruder Stephan und seiner Familie. Wunderwunderwunderbar, die die drei hier zu haben. Wir haben eine klasse Tour von Nairobi nach Naivasha, über die Massai Mara bis nach Kisumu gemacht, und die Urlauber sind dann noch ein paar Tage weiter an die Küste, um sich von den Ogolas zu erholen ;-) Ich kann gar nicht erzählen, und versuche es deswegen erst gar nicht, was wir alles an lustigen Spielen und Scherzen der Kusine/Cousins, an tollen Tiersichtungen, an interkulturellen Aha-Momenten und einfach gemeinsam genossener Zeit hatten. Ich bin enorm dankbar und denke sooo gerne dran zurück! Und den Jungs geht es genauso, da kommen immer wieder Bemerkungen wie "Alice hat abc gesagt.... Albert hat xyz gemacht..." (über die Details legen wir hier den Mantel des Familienschweigens, das war natürlich nicht immer tisch- oder gesellschaftsfein, aber herrlich lustig).   







Freunde-Wochenende

Schon zum dritten Mal waren wir mit vier befreundeten Familien übers Wochenende in einem Haus mit Pool außerhalb von Kisumu. Es ist jedes Mal so schön – die Kids sind von früh bis spät im Pool, ich immer nur kurz wenn die Kids grade mal nicht drin sind ha ha, wir essen gut (Essensplanung, Einkauf und bestimmte Beilagen vorab vorbereiten machen wir, und dann haben wir einen Koch, der für uns die Mahlzeiten zubereitet – Dienstleistung ist in Kenia nach wie vor sehr günstig!), wir spielen, führen gute Gespräche und genießen einfach die Zeit miteinander. Wenn man nicht in der Heimat ist, tut so ein selbst gewähltes „Dorf“ enorm gut! 


Unser kleines Dorf... zumindest ein Teil davon, wir sind in Kisumu ja reich beschenkt mit Freunden!

 

Manicure: Jetzt mal halblang machen

Helmet: Auch in heißen Phasen runterschalten nicht vergessen