Montag, 18. Oktober 2010

Weh und Wonne der deutschen Behörden

In meinem bisherigen Leben habe ich mich so durch die deutsche Behördenlandschaft hindurchgeschlängelt. Klar, ich war schon öfter auf dem Finanzamt, immer mal wieder auf dem Einwohnermeldeamt, auch an der Perso- und Passstelle im Bürgeramt stand ich diverse Male. Die meisten Beamten oder Staatsangestellten, die mir dabei über den Weg gelaufen sind, waren halt beamtentypisch pünktlich, worteffizient und paragrafengetreu.

Den Vogel abgeschossen hat in den letzten Wochen die Deutsche Botschaft in Karthum und deren Angestellte. Wobei zu bemerken ist, dass ich es vorwiegend mit lokalen, also sudanesischen Bediensteten zu tun hatte. Der Versuch, dort ein Schengen-Visum für Joshua (als im Sudan lebender und arbeitender Kenianer) zu bekommen, glich einem Himmelfahrtskommando. Da ich mir vorgenommen habe, in diesem Blog nie mehr als zwei Bildschirmseiten pro Geschichte zu füllen, kann ich leider nicht alle Details schreiben. Aber die Kombination aus der bürokratischen Ausländerbehörde in Berlin und der nicht an der Ausreise bzw. Schengen-Einreise von Afrikanern interessierten Deutschen Botschaft im Ausland ist 'ne Wucht. Unkooperative und unerbittliche Sachbearbeiter in der Visumstelle. Dokumente über Dokumente, und alle nur im Original (das hat mir einen DHL-Express-Versand in Höhe von 69 Euro eingebracht - Bezahlung nur in Cash, was mir meine Nachbarin glücklicherweise leihen konnte). Der Visum-Antragsteller muss ebenso im Original erscheinen, was die Dinge weiter verteuert und zeitaufwändig macht (wenn man wie Joshua zwei Flugstunden entfernt in Süddarfur arbeitet). Als Einladender braucht man ein festes Einkommen von tausend Euro im Monat. Da ich Freelancer bin, also laut Behörde ohne festes Einkommen, müssen es 10.000 Euro auf dem Konto sein - und zwar auf dem Sparbuch, Girokonto gilt nicht. Man muss außerdem eine spezielle Schengen-Auslandsreisekrankenversicherung abschließen, den Flug schon mal buchen (ja, Pech wenn es dann mit dem Visum nicht klappt!) und tausend andere Dinge.

Ich habe mich irgendwann gefragt, was Menschen tun, die weniger Geld, weniger Grips und weniger Galgenhumor haben als ich. Eine Freundin hatte auch mal so ein Behördenerlebnis - und hat von dem Beamten eine Antwort bekommen. Auch sie hat studiert und ist eine fixe Person. An den Unterlagen zu "ungeklärten Zeitläufen" in ihren deutschen Rentenbescheiden ist sie allerdings gescheitert. Immerhin war sie so schlau, in letzter Verzweiflung einen "Termin zur Unterstützung beim Ausfüllen der Unterlagen" zu vereinbaren. Die Antwort des Rentenbescheids-Beamten auf ihre Frage, wie denn andere mit den Unterlagen klar kommen, war: "Dumme Leute wägen nicht so viele Eventualitäten ab wie Sie, Frau K., daher fällt denen ein Kreuzchen als Antwort leichter als Ihnen. Sie hingegen sehen fünf mögliche richtige Kreuze, wo ein Dummer einfach schon mal bei 1. eins gesetzt hat." Damit wäre diese sinnlose Frage auch geklärt.

Was zählt, ist der Erfolg. Joshua kommt nach Deutschland, für zwei Wochen, nach Unsummen an Gebühren und Nerven. Ich werde ihn wahrscheinlich nicht aus der Wohnung und sicher keine Sekunde aus den Augen lassen. Aus Romantik, aber auch aus schierer Unlust am Risiko: Die Verpflichtungserklärung, die ich für ihn auf der Ausländerbehörde unterzeichnen musste, umfasst nämlich alles. ALLES. Alle Kosten, die während seines Aufenthaltes durch ihn verursacht irgendwie entstehen könnten, und alle Kosten, bis er dann wieder in seinem Herkunftsland ist.

PS: Ich möchte mich aber trotzdem ausdrücklich und allerherzlichst bei der Botschaft in Karthum bedanken, die Joshua ein zweites Visum in den Pass geklebt hat, weil das erste das falsche Datum trug - und das innerhalb von 15 Minuten (na gut, dazwischen lagen diverse Gespräche, die Frühstückspause der Guards, alles in allem ca. 3 Stunden)!

Manicure: Wonne der Behörden auskosten - wenn das Visum da ist
Helmet: Weh der Behörden ignorieren - bis das Visum da ist